Gemeinderat,
29. Sitzung vom 24.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 9 von 133
Sie werden jetzt sagen, aber mit Tamagotchi haben wir ja auch
einen großen Preis beim Rabenhof gewonnen. Nur, Tamagotchi ist nicht aus dem
Rabenhofbudget finanziert worden, sondern noch lange vor der Wahl aus dem
Budget der Freien Gruppenarbeit, meine Damen und Herren. Und das war
tatsächlich die Grundlage für einen Erfolg und für eine erfolgreiche
Produktion.
Wir haben in Wien zwei Modelle an Theatergründungen
und zwei Modelle, wie man Theater führt. Das eine ist das Schauspielhaus, das
andere ist der Rabenhof. Das Schauspielhaus steht für das Weltbild, das von uns
vertreten wird, und der Rabenhof steht offensichtlich für diese Debakelpolitik
der Sozialdemokratischen Partei in Wien. (Beifall
bei der ÖVP.)
Und das sage nicht ich – da würde es dann wieder
heißen, der will sich da noch einmal in Erinnerung rufen oder schöne Töne
finden –, das sagt der "Falter", und zwar in einem Kommentar, der
vorige Woche oder vor zwei Wochen erschienen ist. "Letzteres, das
Schauspielhaus", schreibt Kralicek, "ist auch aus anderen Gründen ein
gutes Beispiel. Als die jahrzehntelang von Hans Gratzer geleitete Mittelbühne
vor zwei Jahren frei wurde, wurde die Leitung des Schauspielhauses
ausgeschrieben. Allein der enorme Andrang, 77 Bewerbungen, davon 43 aus
Österreich, ließ das mehr oder minder im Verborgenen schlummernde Potenzial erahnen.
Mit Airan Berg kam schließlich tatsächlich ein Bewerber aus der Freien Szene
zum Zug. Und gemeinsam mit seinem australischen Direktionspartner Barrie Kosky
hat er das Schauspielhaus in der Zwischenzeit wieder zu einem unverwechselbaren
und lebendigen Theater entwickelt." – Ja, meine Damen und Herren, wir
wollen unverwechselbare und lebendige Theater in Wien und nicht geschlossene.
"Und unabhängig davon," – schreibt er
weiter – "ob man das Theater im Schauspielhaus mag oder nicht, das Haus
hat Öffentlichkeit, es hat Publikum, und es ist ein Beweis dafür, dass neue
Strukturen auch neue Theater möglich machen."
"Ein anderes" – alles "Falter" –
"weniger gutes Beispiel ist der Rabenhof, den Karl Welunschek im Stil der
achtziger Jahre handstreichartig unter windschiefen Bedingungen übernommen
hat" – meine Damen und Herren von der SPÖ, wer war denn in den achtziger
Jahren verantwortlich für die Kulturpolitik, die folgerichtig ein permanentes
Krisengebiet darstellt? - "Im neuen System" – meint er jetzt hoffnungsvoll
– "wird es ein solches Theater entweder gar nicht geben oder so, dass es
auch funktioniert."
Meine
Damen und Herren! Ich empfehle Ihnen auch den Leserbrief des Gernot Lechner,
der übrigens ankündigt, dass er sehr bald einmal der Öffentlichkeit sagen wird,
wie es wirklich ausschaut dort. Er sagt, er kann das jetzt noch nicht tun, denn
er hat Sprechverbot. Na toll!
Kaufmännische Direktoren, die Sprechverbot haben – das ist heute wieder das
Theaterleben in Wien. Er kündigt aber an: "Auf Grund dieser Situation habe
ich selbst meine Kündigung eingebracht und werde zum gegebenen Zeitpunkt der
Öffentlichkeit Genaueres berichten." Also, auf diesen Bericht wollen wir
in Ruhe warten, meine Damen und Herren.
Sie sind sehenden Auges in dieses Debakel geschlittert
und ausschließlich Sie haben die Verantwortung dafür zu tragen! (Beifall bei
der ÖVP.)
Ich bin eigentlich der Meinung, dass Sie diese
2,5 Millionen EUR anders verwenden sollten. Es ist ja jetzt schon
angekündigt, dass nächstes Jahr wieder eine Subvention kommt, und es ist jetzt
schon gesagt, dass man damit wieder nicht auskommen wird. Das heißt, man gibt
sehenden Auges, wenn die Voraussagen, die hier getätigt wurden, stimmen, wieder
ein Jahresbudget, wieder wissend, dass damit nicht einmal ein halbes Jahr
Theater gemacht werden kann in Wien, das heißt, das sind dann noch viel mehr
als 2,5 Millionen EUR. Aber es wäre wirklich Ihre Verpflichtung,
diese 2,5 Millionen EUR der Szene zurückzugeben, denn es geht, wie
ich schon angedeutet habe, nicht nur um den Rabenhof, sondern es geht auch, wie
die Zeitungen schreiben, um Neid, Zwietracht, generelles Misstrauen, das
dadurch in der Szene geweckt wurde.
Die Theaterstudie wird ja, glaube ich, morgen
Gegenstand einer ausführlicheren Debatte sein. Wir haben ja morgen
Theaterschwerpunkt, daher will ich heute darauf nicht im Einzelnen eingehen,
sondern nur sagen, dass wir grundsätzlich der Meinung sind, dass sich eine
Diskussion darüber sehr lohnt. Ich bin aber umgekehrt auch nicht dafür, dass
man jetzt alles vernadert und sagt, das ganze Theater in den letzten Jahren hat
nur stagniert, war schlecht. Wir alle haben viele schöne Produktionen gesehen
und sollen nicht glauben, wenn wir die Szene schlechtreden, dass dann die
Reformbestrebungen umso tragfähiger sein würden.
Es geht aber auch um etwas anderes, es geht um das
Vertrauen der Szene in die Kulturpolitik. Ich habe zum Beispiel vom
Kulturverein "Narrendattel" die Kopie eines Briefes an die
Kulturabteilung bekommen und lese hier: "Es entsteht der Eindruck, dass
kontinuierliche, innovative Kulturarbeit in Wien nicht besonders gefragt ist.
Das erkennen wir schon daran, dass ein persönliches Gespräch beziehungsweise
ein Termin" und so weiter "beim Kulturstadtrat nicht zustande kommt
und die Kulturschaffenden in Wien immer mehr zu Bittstellern ihrer kulturellen,
meist unentgeltlichen Tätigkeiten werden." Und so geht das hin. "Es
sei denn, man hat sich beizeiten ein Lobby geschaffen oder je nach politischen
Couleur Freundschaftsdienste gesichert."
Dann wieder ein Brief: "Warum beenden Sie das
seit Jahren im Wiener Kulturbereich sehr anerkannte und stark frequentierte
Weiterbildungsservice der Stadt Wien?" Nächste Überschrift: "Kein
Geld für Kinder" und so weiter. Ich kann nicht alles vorlesen, was die
Öffentlichkeit kritisiert. Ich lese hier nämlich nur die öffentlichen
Ankündigungen und Aussendungen vor.
Beim heutigen Pressegespräch zum Thema "Fördersituation
der freien Theatergruppen im laufenden Jahr 2003" stellte Juliane Alton,
die Geschäftsführerin der IG Freie Theaterarbeit einen "Vertrauensbruch
der Kulturabteilung" fest. Also immer wieder ist davon die Rede, dass
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