Gemeinderat,
29. Sitzung vom 23.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 85 von 122
Da gibt es
Wohnheime für psychisch kranke Menschen - eine sehr, sehr gute Einrichtung -,
die aber nur zu 60 Prozent ausgelastet sind! Und das findet außer den
GRÜNEN niemand schlimm! 60 Prozent! 40 Prozent sind einfach nicht
belegt und das angesichts des Faktums, dass es in Institutionen wie der
Meldemannstraße - ich weiß nicht, ob Sie schon einmal dort waren, ich war dort,
in der Meldemannstraße, künftig ziehen sie um, aber es wird am Faktum nichts
ändern, dass hier psychisch kranke Menschen untergebracht sind - nicht einmal
eine Beratungs- oder Ambulanzstunde oder eine Ambulatoriumsstunde oder
irgendeinen Liaisondienst des PSD gibt! Schlicht nichts. Nichts! Und schon gar
nicht haben die psychisch kranken Obdachlosen aus der Meldemannstraße so ohne
weiteres Zugang zu den nicht ausgefüllten Plätzen beim PSD. Die stehen halt
luxuriös leer.
Da wird die Zeitschrift „Psychosoziale Arbeit“ kommentarlos nach einem
Jahr vom Markt genommen. Da freut man sich als am Thema interessierte
Gemeinderätin, weil das ja ein Periodikum ist, für das es Geld gibt, für das es
Mitarbeiter gibt - dumm gelaufen, heuer nicht erschienen!
Im PSD müssen dringend – und die Frau StRin Pittermann hat das vor und
sie hat meinen vollen Applaus - Reorganisationsmaßnahmen greifen. Sie müssen
greifen, weil wir keine Lizenz zum Gelddrucken haben, sondern weil wir mit den
Mitteln, die wir zur Verfügung haben, eine möglichst gute und für alle gleich
gute Versorgung gewährleisten müssen. Da muss darüber zu reden sein, wie die
Dienstzeiten der Ärzte und Ärztinnen eingehalten werden. Und da muss darüber zu
reden sein, wie die einzelnen Einrichtungen arbeiten und ob sie das tun, wofür
sie da sind oder das, was ihnen gerade einfällt. Da fehlt es an der Führung im
PSD. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ein letztes Sittenbild dazu und dann habe ich schon einen Punkt hinter
den PSD gemacht: Ich habe mir in meiner Eigenschaft als Mitglied des Vorstands
erlaubt, in zwei Einrichtungen des PSD vorbeizuschauen, zu kommen, freundlich
„Grüß Gott“ zu sagen und wenn jemand Zeit für ein Gespräch hat, ein Gespräch zu
führen. In der einen Einrichtung hat mich eine Mitarbeiterin empfangen, der ist
ob dieses unerwarteten Besuchs in Wirklichkeit – das ist jetzt meine subjektive
Interpretation – durchaus die nackte Angst im Gesicht gestanden. Auf meinen
Hinweis, ich warte bis jemand Zeit hat oder ich komme zu einem anderen
Zeitpunkt, war keinerlei Auskunft zu geben, keinerlei Auskunft zu bekommen,
nicht einmal Banalitäten wie Öffnungszeiten oder Auftrag der Einrichtung –
nichts von alledem: „Bitte gehen Sie. Bitte gehen Sie.“ (GRin Ursula
Lettner: Sie wollten ja etwas anderes!) Gut, ich wollte ein bisschen mehr
als die Öffnungszeiten, Frau Lettner. Sie sind zufrieden mit solchen
Auskünften, ich nicht. (GRin Ursula Lettner: Nein!)
In der zweiten Einrichtung war ein sehr bemühter, erfreuter ärztlicher
Leiter, der gerne, sehr gerne mit mir gesprochen hätte, er hat nur gerade einen
Patienten zu versorgen gehabt und selbstredend würde ich mich nie vordrängen.
Wir haben daher einen anderen Termin ausgemacht. Tags darauf, oh Wunder, ist
der Termin abgesagt worden. Ich habe mich dann aufgehört zu wundern, als mir
die Frau Präsidentin mitgeteilt hat, dass der Herr Chefarzt bei ihr wegen
meines Besuches vorstellig war und dass man seitens des PSD nicht wünscht, dass
solche Besuche stattfinden. Ich will Ihnen einfach die Begründung dafür nicht
ersparen: „Die Frau GRin Sigrid Pilz könnte dort jemanden kennen und das wäre
Verletzung des Datenschutzes.“ Hören Sie sich diese Begründung an! Ich weiß
nicht, ob Sie schon einmal bei einem Hautarzt waren. Möglicherweise hat der Nachbar
neben Ihnen eine Geschlechtskrankheit und Sie kennen ihn. Vielleicht waren Sie
auch schon einmal in einem gynäkologischen Wartezimmer oder in einer Ambulanz
im AKH oder sonstwo und am Ende haben Sie den- oder diejenige neben sich
gekannt. Das ist ja wohl kein Argument, mit dem man Besuche von
Vorstandsmitgliedern in Einrichtungen des PSD unterbinden kann, und ich habe im
Vorstand auch gesagt, dass ich meine Besuche fortsetzen werde. (Beifall bei
den GRÜNEN.)
Letztes Thema, Frau Stadträtin, und auch das ist ein Thema, von dem ich
weiß, dass Sie das, was wir hier GRÜNEN wollen, in Ihrem Herzen unterstützen:
Es geht um den Spiegelgrund und es geht um das Gedenkprojekt, das dort
etabliert wird. Sie erinnern sich, man hat im letzten Jahr die sterblichen Überreste
der für vermeintliche und für zynische Forschung missbrauchten Opfer der
NS-Zeit bestattet und man hat im Otto Wagner-Spital eine Gedenkstätte
eingerichtet. Aber weil eine Gedenkstätte nicht sein soll, was in diesem Fall
ein sinnleerer Ort des Vergessens sein soll, hat man sich vorgenommen, hier mit
dem Holocaust Education Center auch etwas zu machen, damit die Jugendlichen und
die Kinder in Wien von guter, qualitativ hochwertiger interaktiver
Auseinandersetzung mit diesem Thema profitieren sollen. Dieses Projekt, dieses
Holocaust Education Center, braucht Finanzierung. Natürlich, wenn etwas gut
sein soll, wenn sich etwas nicht im Gestus erschöpfen soll, dann braucht es
Geld. Da bleibt halt, Frau Stadträtin, die Gemeinde Wien wieder einmal im Sprung
stecken. Wir machen es, aber wir machen es nur ein bisschen. Man hat für dieses
Projekt, für das die Fachleute 22 000 EUR als notwendige Budgetierung
errechnet haben, 7 000 EUR seitens der MA 7 und der MA 13
zur Verfügung gestellt. Mit 7 000 EUR wird man nicht weit hupfen
können, und man wird diese Aufgabe nicht mit der nötigen Verantwortung
erledigen können, die unserer Stadt im Gedenken an die Opfer des
Nationalsozialismus zusteht.
Frau Stadträtin! Ich glaube, dass das Gesundheitsbudget der
drittschlechteste Topf ist, aus dem man hier die Dinge finanziert. Aber es soll
mir Recht sein, denn es wird für, mit Verlaub gesagt, sinnlosere Dinge auch im
Gesundheitsbudget Geld ausgegeben. Noch viel besser wäre es, wenn das ein
gemeinsames Projekt verschiedener Stadträte und Stadträtinnen wäre, die es sich
zu Herzen nehmen, dass wir sagen: Finanzieren wir dieses Projekt, sind wir
nicht kleinlich. Erinnern Sie sich, was ich
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