Gemeinderat,
29. Sitzung vom 23.06.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 122
Herren
Abgeordneten, die alles andere zu tun haben als sich mit diesem Thema zu befassen,
alles Gute für Ihre Kinder. Wir werden uns dann anschauen, ob sie zufrieden
sind. Aber wahrscheinlich werden sie ohnehin in eine Privatschule ausweichen.
Ich möchte zu allen Punkten ganz kurz etwas sagen.
1. Punkt: Sie ruinieren die Schule, indem Sie Innovationen abstoppen und
nicht zulassen. Wenn Sie ein bisschen in die Zukunft schauen würden, dann
wüssten Sie, dass das, was wir derzeit brauchen, kleinere Klassen sind. Alle
Fachleute in ganz Österreich sind sich in dem Punkt einig. Die erste Forderung
lautet: Kleinere Klasse. Sie machen das Gegenteil, Sie sorgen nämlich für
größere Klassen.
2. Punkt: Das, was wir brauchen, ist eine Individualisierung des
Lernens: Mehr Projektunterricht, mehr Fächerübergreifendes. Sie sorgen dafür,
dass genau das Gegenteil stattfindet. Aber damit ist die Unvernunft leider noch
nicht an ihr Ende gekommen. Sie haben wirklich auch noch den Zynismus, die
Obszönität, sich hierher zu setzen und dann für die Sir-Karl-Popper-Schule
alles das, was Sie jetzt im öffentlichen Schulsystem streichen, streichen,
streichen und sparen, sparen, sparen, für diese eine Schule für wenige Kinder,
die aus einer Elite kommen, das einzufordern und zu machen! Das ist in meinen
Augen wirklich politische Frechheit der Extrakultur und ich kann Ihnen nur
sagen, mich ärgert das wahnsinnig!
Ich möchte den 2. Punkt nennen, wo ich gesagt habe, Sie bauen ein
Zweiklassensystem auf. Unter dem Motto „Weniger Staat, mehr Privat“ bereits in
den Siebzigerjahren in ganz Österreich plakatiert, aber jetzt sind Sie erst so
richtig am Zug, ist es offensichtlich Ihr Ziel, einen Mindeststandard für alle
Kinder zu leisten und High-Level-Angebote werden nur die bekommen, die es sich
auch tatsächlich leisten können. Ein Zweiklassensystem, das die Begüterten von
den Einkommensschwachen trennt!
Gehen Sie hinein ins Internet schauen Sie sich zum Beispiel die
Schulprofile der Volksschulen an. Ein guter Tipp, die Volksschule
13. Bezirk Am Platz: Die geben das sogar in ihrem Schulprofil bereits an.
Sie sagen nämlich, durch die Sparmaßnahmen der letzten Jahre wurden
unverbindliche Übungen gestrichen. Sie führen sogar an welche, nämlich
Kreatives Gestalten, Darstellendes Spiel und Gesunde Schule und ich denke mir,
das sind drei Dinge, in deren Genuss alle Kinder kommen sollten. Das alles wird
gestrichen und zwar an allen Schulen von Wien, wie diese unverbindlichen
Übungen auch immer heißen mögen. Es sind viele, es sind viele verschiedene. Es
war das, wo die Kinder auswählen konnten. Es war das, woran Kinder besonderen
Spaß hatten, besondere Freude hatten und besonders viel gelernt haben. Ihre
Absicht ist es offensichtlich, alle diese Zusatzangebote für die Kinder
insgesamt zu streichen, und nur wer es sich privat leisten kann, kann das ja im
eigenen privaten Bereich auch tatsächlich zukaufen. Wen trifft das? Es sind die
Kinder einkommensschwacher Eltern.
3. Punkt. Mein Vorwurf an Sie: Sie forcieren Auslese und Segregation.
Wenn wir uns anschauen, wo bereits in den letzten zwei Jahren und wo auch noch
im kommenden Jahr und im darauffolgenden Jahr im Besonderen gestrichen und
gekürzt wurde und wird, so wissen wir alle: Es ist bei den Fördermaßnahmen, die
für Kinder, die es ganz besonders brauchen, notwendig sind, weil entweder ihre
Muttersprache nicht Deutsch ist und sie da eine besondere Fördermaßnahme
brauchen oder weil es sich um Kinder handelt, die in irgendeiner Form - sei es
geistig, körperlich oder psychisch - eine Behinderung aufweisen und
diesbezüglich eine besondere Förderung brauchen oder weil es sich um Kinder
handelt, die von ihren Eltern vernachlässigt werden. Überall dort, wo Kinder
besondere Fördermaßnahmen brauchen, da streichen Sie. Da wird gekürzt, da wird
gespart, da wird gestrichen. Ich halte diese Politik für unmenschlich und ich
halte diese Politik für falsch! (Beifall bei den GRÜNEN und bei den GRen
Karlheinz Hora, Heinz Vettermann und GRin Mag Sonja Wehsely.)
Es ist so, dass sich meiner Meinung nach hinter dem Motto „Sparen“ ein
wahrlich elitäres Ausleseverfahren verbirgt, und das ist im Grunde genommen
alles, was ich jetzt genannt habe, nämlich die Einkommensschwachen derart zu
benachteiligen und Auslesen bei Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache und
bei Kindern mit Behinderungen vorzunehmen. Das ist Gesellschaftspolitik, die
Sie da machen. Da genügt der Vorwurf des Kaputtsparens nicht mehr, das ist
Gesellschaftspolitik, die ich ablehne.
Ein Letztes vielleicht noch, worauf ich hinweisen möchte: Es ist auch
eine Politik gegen Frauen, die da gemacht wird. Denn was wir in der nahen
Zukunft gebraucht hätten, das wären ganztägige Schulformen gewesen, ein Ausbau
der ganztätigen Schulformen, vor allem mit verschränktem Unterricht. Auch da
wird es sicher zu einer Stagnation des Ausbaus kommen, und ich denke, wir alle
kennen viele Frauen, die damit konfrontiert sind, dass sie zwar noch einen
ganztägigen Kindergartenplatz gefunden und bekommen haben und ihre Kinder gut
untergebracht wussten, die aber dann plötzlich in der ersten Klasse Volksschule
damit konfrontiert sind, dass die Schule zu Mittag aus ist. Die Hort- und
Freizeitklubangebote sind nicht so befriedigend wie es eine Ganztagsschule
wäre, die einen verschränkten Unterricht hat. Auch da sorgen Sie mittels
Sparpolitik dafür, dass kein weiterer Ausbau stattfinden kann.
Wien kann sich das nicht gefallen lassen. Ich weiß, Wien hat schon
bisher in das Pflichtschulsystem durch Gemeinde Wien-Stunden eingegriffen und
über das Ausmaß hinaus, das Wien eigentlich fördern müsste, gefördert. Aber an
dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen: Wir werden mehr Gemeinde Wien-Stunden
brauchen und Wien wird auch im Schulsystem, nicht nur im Wirtschaftssystem,
sondern eben auch im Schulsystem investieren müssen.
Fazit und Zusammenfassung: Die GRÜNEN lehnen diese
Sparmaßnahmen bei der Schulpolitik ab, weil sie Innovation verhindert, weil das
unsolidarisch ist,
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