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Gemeinderat, 28. Sitzung vom 23.05.2003, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 80

 

Es hat von Ihnen als Begründung für diese Umwidmungen geheißen, man möchte - wie Sie es genannt haben - das Fruchtfolge-Bauland verhindern, also das Bauhoffnungsland, und dass es dort langsam zu schleichenden Umwidmungen kommt. Es stimmt, dass es Auswüchse gegeben hat, das wissen wir natürlich auch, gar keine Frage, vor allem im Bereich der Kleingärten. Es wäre auch unsere Aufgabe, zu überlegen, wie man das hintanhalten kann, sodass es nicht dazu kommt. Aber man kann nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und sagen: weil auf diesen Flächen mitunter Kleingartensiedlungen gebildet wurden, macht man jetzt jegliche Bebauung, auch solche mit Geräteschuppen, unmöglich. Das ist natürlich ein Wahnsinn! Diese Argumentation geht viel zu weit, die Folgen für die Bewirtschaftung sind katastrophal.

 

Die zweite Argumentation war, dass man die Bauern sozusagen vor sich selbst schützen müsse, weil es in der Vergangenheit immer wieder zu Überfinanzierungen in der Hypothekarbelehnung gekommen wäre. Aber wo hört das dann auf? Werden wir demnächst hören, dass Betriebsbaugebiete auf Grünland zurückgewidmet werden, weil man die armen Handwerker vor sich selbst schützen muss, weil sie mitunter ihre Betriebsgebäude belehnen? Was hat denn ein Bauer sonst als seinen Grund und seine Arbeitskraft? Was soll er belehnen lassen? Wie soll er Investitionen absichern?

 

Das geschieht noch dazu vor dem Hintergrund von Basel II, meine Damen und Herren! Es wird für die klein- und mittelständische Wirtschaft in Österreich und in diesem Land ohnehin immer schwieriger, Finanzierungen zu bekommen, und das wird sich in den nächsten Jahren noch dramatisch verschlechtern. Banken reden heute nur noch über Sicherheiten, Sicherheiten, Sicherheiten, und jetzt zieht man den Bauern auch noch die letzte Möglichkeit weg, Sicherheiten zu bieten, nämlich die über ihren Grund. Das haben Sie auch zugegeben, selbst in der heutigen Aussendung von Kollegen Reiter, dass dem so ist, nämlich dass diese SwwL-Widmung für Banken eine schlechtere Sicherstellungsleistung als die L-Widmung darstellt. Man weiß, dass es dazu kommen wird, meine Damen und Herren!

 

Deshalb wäre es mir umso unverständlicher, wenn heute Sie dieser Absetzung nicht zustimmen sollten. Ich hoffe noch immer, wie gesagt, dass der Herr Bürgermeister Sie in der Zwischenzeit auch überzeugen konnte, weil er ja in der Vergangenheit - und das konzediere ich durchaus positiv - immer wieder ein offenes Ohr für Anliegen der Landwirtschaft hatte. Das mag vielleicht auch mit seinem Studium - Biologie ist ja nicht so weit davon entfernt, oder sehr artverwandt - zu tun haben.

 

Was können die Hintergründe dafür sein, meine Damen und Herren? Warum sollte die Stadt Wien das jetzt auf einmal umwidmen? - Ich glaube persönlich nicht, was einige der Betroffenen vermuten, nämlich dass man die Grundstücke in der Folge billig kaufen möchte, weil sie quasi wertlos geworden sind oder weil man sie, wenn sie einmal als Brachland daliegen, wahrscheinlich billig einsammeln kann. Das glaube ich persönlich nicht, weil wir so viel Geld gar nicht zur Verfügung haben, wenn man sich unsere Rechnungsabschlüsse anschaut, sodass wir das nicht noch überstrapazieren möchten.

 

Soll es eine Strafaktion gegen Bauern sein? Kollege Mailath hat heute Vormittag einmal abschätzig davon gesprochen - ich glaube, im Zusammenhang mit dem Budget -, dass das fast ein Agrarbudget wäre. Ist das jetzt eine Strafaktion gegen die Bauern oder eine - um Woller umzudrehen - bundesfeindliche Politik der Wiener Stadtregierung? Ist das eine neue Tendenz, dass man die Bauern als generelle Sündenböcke auserkoren hat, die man für alles Mögliche verantwortlich macht? Ist es ein einmaliger Sündenfall - auch diese Erklärung würden wir gerne von Ihnen haben, meine Damen und Herren - bei diesen drei Plandokumenten, oder wird es die generelle Linie sein, von der L-Widmung abzuweichen?

 

Ich habe schon gesagt, der Herr Bürgermeister hat in der Vergangenheit immer Verständnis für die Bauern gezeigt. Warum kommt es möglicherweise heute doch zu diesen Umwidmungen? Da gibt es für mich ein paar Erklärungsmöglichkeiten:

 

Erstens: Er weiß nichts davon. Deshalb habe ich das heute in der Früh beantragt, damit er sich in der Zwischenzeit informieren könnte.

 

Zweitens: Er weiß nichts davon, kann sich aber klubintern in der SPÖ nicht mehr durchsetzen. Das wäre auch eine Möglichkeit.

 

Die dritte Möglichkeit: Es ist ihm überhaupt egal, was mit der Wiener Landwirtschaft passiert.

 

Die vierte Möglichkeit: Er unterstützt sogar diese Umwidmungen.

 

Und fünftens - oder sozusagen 4b -, er unterstützt es deshalb, weil er sich am Schluss als Retter der betroffenen Bauern gerieren möchte. Es gibt einen Hinweis darauf in der heutigen Aussendung von Kollegen Reiter, er sagt darin wortwörtlich: "Die Bewertung der neuen Widmungskategorien durch Banken sei, so Reiter weiter, sicher ein gewisses Problem. Hier müssten sicherlich noch Gespräche hinsichtlich der Kreditkonditionen geführt werden."

 

Herr Kollege Reiter! Da geht es nicht nur um die Kreditkonditionen - liegen die nun um 0,75 oder 1,5 über EURIBOR -, sondern es geht darum, ob die Bauern von den Banken überhaupt noch Geld für Investitionen bekommen. Wie ich schon gesagt habe: Welche Gespräche soll es da geben? Werden Sie oder der Herr Bürgermeister in Zukunft mit den Betroffenen zur Bank gehen, als Bürge dienen und dort ein gutes Wort einlegen? Ich kann mir schwer vorstellen, wie man hier die Banken überzeugen möchte. Dass also hier etwas im Argen liegt, ist allein schon mit Ihrer Aussendung bewiesen.

 

Sie sagen, bei gutem Willen wäre es möglich, sowohl den Wald- und Wiesengürtel als auch die Interessen der Landwirtschaft zu schützen. Herr Kollege Reiter, ich nehme Sie und die sozialdemokratische Fraktion beim Wort: Stimmen Sie unserem Antrag auf Absetzung heute zu! Diskutieren wir das noch einmal mit den Betroffenen, diskutieren wir es mit deren Standesvertretung, diskutieren wir es hier intern - das wäre guter Wille. Alles andere

 

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