Gemeinderat,
28. Sitzung vom 23.05.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 80
und Herren!
Am 2. Juni dieses Jahres wird ein Mann zum
Bürger der Stadt Wien ernannt, nämlich Karl Sokol, der sich wie kaum ein
anderer diese Auszeichnung, Bürger der Stadt Wien zu werden, verdient. Sie alle
kennen Karl Sokol. Er hat unter Einsatz seines Lebens mitgeholfen, dass Wien
und Österreich von dieser Naziherrschaft befreit worden ist. Und wenn man nun
dieser Ehrung und Auszeichnung die Ehrung des Majors Walter Nowotny
gegenüberstellt, der nach seinem Tod als Kampfflieger auch eine hohe
Auszeichnung der Stadt Wien bekommen hat - ein
Ehrengrab -, dann muss jedem, der alle fünf Sinne beisammen hat, klar
sein, dass hier ein Missverhältnis besteht. Es wird niemanden hier in diesem
Raum, und nur ganz wenige in der Stadt Wien geben, es sei denn die, die den 8.
Mai dazu verwenden Trauerreden zu halten, die meinen, Walter Nowotny würde
sich, würden wir heute eine Entscheidung zu treffen haben, eine Auszeichnung
der Stadt Wien verdienen.
Trotz allem, Herr Kollege Ellensohn, stimmen wir
heute dieser Aberkennung des Ehrengrabes nicht zu. Nicht, weil wir Zeit
gewinnen wollen. Dies absolut nicht. Nicht, weil sich der Peter Marboe in
unserer Fraktion nicht durchgesetzt hat, – wir haben das in den letzten Tagen
ganz intensiv diskutiert - sondern aus einem ganz einfachen Grund: Es geht aus
unserer Sicht nicht an, dass wir, ohne uns einmal die Mühe zu machen, für diese
Fälle der Vergangenheit Kriterien zu definieren, je nach Zufall und abhängig
davon, ob ein Gemeinderat besonders aktiv ist, weil er die Akten studiert, oder
eine Organisation besonders aktiv ist, hier Anlassentscheidungen treffen.
Wir sind nicht gegen diese Aberkennung, weil wir
vielleicht mit den vielen Menschen heulen, man soll die Geschichte endlich
Geschichte sein lassen, man soll die Toten ruhen lassen und nicht einmal mit
denen, die sagen, der Herr Walter Nowotny, das war ja ein junger, verblendeter
Mann, der noch gar nicht wissen konnte, worauf er sich eigentlich eingelassen
hat. Karl Sokol war auch nicht viel älter zu dem Zeitpunkt, als er für
Österreich und für Wien unter Einsatz seines Lebens gekämpft hat, sondern es
geht uns ganz eindeutig nur darum, dass wir endlich einmal Kriterien wollen.
Das ist keine Sache von Jahren, Herr Kollege
Ellensohn, das ist eine Sache von Monaten. Und daher bringe ich heute keinen
Antrag ein, weil ich erstens weiß, er ist nicht mehrheitsfähig - das
haben wir abgeklärt - und weil wir auch noch zu einem anderen
Zeitpunkt einen entsprechenden Antrag, einen umfassenden, einbringen wollen.
Wir schlagen auch heute schon vor, dass der Wiener Gemeinderat eine Experten-
und Historikerkommission einberuft. Dieser Historikerkommission könnten der
Chef oder ein Vertreter des Heeresgeschichtlichen Museums, der Leiter des
Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes und ein internationaler
Militärexperte angehören, wobei ich eine Präferenz zu einem britischen habe,
weil sich die britischen Militärhistoriker durch Schärfe des Urteils, aber auch
durch Kühle des Urteils auszeichnen. Und diese Kommission soll dem Gemeinderat
für alle Auszeichnungen, die während der Nazizeit vergeben worden sind,
Kriterien entwickeln, sodass dann entschieden werden kann: Welche können
beibehalten bleiben und welche sollen aberkannt werden.
Wenn es solche Kriterien gibt, wird unsere Fraktion
zu den ersten Fraktionen zählen, die sich diesem Diktum, dieser Kommission
unterwerfen, weil wir alles wollen, nur eines wollen wir nicht: Wir wollen
nicht einen Beifall von der falschen Seite und wir wollen auch klar und
deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir kein Verständnis haben und höchst
unangenehm berührt sind von den - wie es Herr Ellensohn genannt hat –
Pilgerwallfahrten, die an dieses Grab gemacht werden. Da ist es ganz egal im
Übrigen, ob es sich um ein Ehrengrab oder um ein einfaches Grab handelt, wir
sind höchst unangenehm berührt.
Und sollte diese Kommission Kriterien erarbeiten, denen
zufolge der Status des Ehrengrabes für Walter Nowotny aberkannt wird, werden
wir die Ersten sein, die diesem Antrag hier im Gemeinderat zustimmen würden.
Danke sehr! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum Wort gemeldet hat sich Herr Stadtrat Herzog. Ich
erteile es ihm.
StR Johann Herzog:
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Vorsitzender!
Eingangs möchte ich einmal ganz etwas anderes noch sagen,
eine Replik auf Herrn Woller, der in seiner Rede davon gesprochen hat, dass die
Wohnbauförderung gekürzt worden wäre. Das ist nicht der Fall. Es gibt
selbstverständlich Diskussionen um den Finanzausgleich, wie seit
10 Jahren, und es wird sie weiterhin geben, aber es gibt keine Kürzung der
Wohnbauförderung. Dies nur zur Sache als solches. Die Sache selbst, die
Subvention für das Demokratiezentrum Wien, haben wir auch im Ausschuss
abgelehnt, und wir werden das selbstverständlich auch im Gemeinderat tun. Das
Demokratiezentrum lässt unserer Meinung nach die nötige Ausgewogenheit deutlich
vermissen und es scheint hier eine deutliche parteipolitische Ausrichtung und
Schlagseite vorhanden zu sein. Daher gibt es hier zum Hauptpunkt eben keine
freiheitliche Zustimmung.
Was nun den vorliegenden Beschluss- und
Resolutionsantrag der GRÜNEN betrifft, so wird es von unserer Seite her, was
die Aberkennung des Ehrengrabes für Walter Nowotny betrifft, keine Zustimmung
geben, sondern, das möchte ich hier klar und deutlich sagen, sicherlich
deutlichste Ablehnung.
Ich glaube, die Feststellungen des Herrn Görg sind
hier auch mit Fragezeichen zu versehen. Die Wertungen mit dem Zeitgeist von
heute und dem Zeitgeist von gestern sind immer problematische Dinge und ich
glaube, man soll sich gut überlegen, mit diesen Wertungen, auf Denkmäler, auf
Erinnerungsstätten und ähnliches loszugehen, ohne sich vorher wirklich über die
Notwendigkeit überzeugt zu haben.
Wenn man es völlig überspitzt sagt und nicht nur die NS-Zeit
heranzieht, dann würde ich meinen, wäre selbstverständlich auch das Denkmal von
Radetzky zu
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