Gemeinderat,
28. Sitzung vom 23.05.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 34 von 80
gesellschaftspolitische Diskussion. Und hier werden nicht
parteipolitische Fragen diskutiert, es werden so wichtige Fragen diskutiert
beim heutigen Symposium wie die Fragen "Menschenrecht versus
Völkerrecht" – ich glaube, vielleicht ist das peinlich für die FPÖ –, es
wird morgen das Thema "In Gottes Namen – Religion und Gewalt"
diskutiert. Das hat alles mit Parteipolitik nichts zu tun. Am Sonntag das Thema
– das ist Ihnen wahrscheinlich besonders peinlich – "Fluchtpunkt und
Festung Europa". Das heißt, das sind geisteswissenschaftliche
Auseinandersetzungen mit wichtigen Themen dieser Welt und dieser Zeit. Daher
ist es wichtig, dass es diese "Station Wiener Festwochen" gibt, und
wir bekennen uns voll zu dieser Diskussion.
Nun, trotz
des künstlerischen Erfolges der Wiener Festwochen ist derzeit die Diskussion
dominiert vom Thema der Subventionskürzungen der Wiener Festwochen, Kürzungen
von 364 000 EUR. Vielleicht sollte sich die Kollegin Unterreiner die
Zahl einprägen. Es waren nicht 135 000, es waren 364 000 EUR
Kürzungen. Jetzt kann man sagen: Das wird die Wiener Festwochen natürlich nicht
gefährden. Und so selbstbewusst sind wir auch, dass wir wissen, dass die Wiener
Festwochen dadurch nicht gefährdet werden. Aber wenn man zwei Tage vor
Eröffnung der Wiener Festwochen, wo natürlich seit Monaten, oft seit Jahren
alles vertraglich fixiert ist, erfährt, man bekommt 364 000 EUR
nicht, auch nächstes Jahr nicht, dann ist es sehr wohl ein Loch in der Kasse
der Wiener Festwochen, egal ob das jetzt 2,7 Prozent oder 20 Prozent
der Subvention sind.
Aber diese Subventionskürzung der Wiener Festwochen
durch die Bundesregierung hat vor allem aus drei Gründen einhelligen und
heftigen Protest hervorgerufen.
Der Erste ist, weil es einfach eine völlig
unvorstellbare Vorgangsweise ist, so eine Kürzung zwei Tage vorher bekannt zu
geben. Es ist auch völlig gegen alle politischen Sitten in diesem Land, dass so
etwas nicht offiziell passiert, sondern in einem zufällig geführten Telefonat
des Musikdirektors mit dem Sekretär des Kunststaatssekretärs. Es ist auch die
Begründung unerhört, die im ersten Moment gegeben wurde, nämlich die
Begründung, dass das Staatssekretariat keinen Einfluss auf die Gestaltung der
Wiener Festwochen hat. Und da sage ich: Es ist unerhört, überhaupt diese
Forderung aufzustellen, Einfluss nehmen zu wollen. Wir bekennen uns
uneingeschränkt zur Freiheit der Kunst. Wir nehmen keinen Einfluss, und der
Staatssekretär Morak wird auch keinen Einfluss nehmen können. Und daher ist das
keine Begründung, Subventionskürzungen für die Wiener Festwochen vorzunehmen. (Beifall bei der SPÖ.)
Die Wiener Festwochen sind damit das einzige Festival
in Österreich, das vom Bund nicht gefördert wird. Es wird Bregenz gefördert, es
wird Salzburg gefördert, es wird Mörbisch gefördert – Wien wird nicht
gefördert. Durch diese Kürzungen ist Staatssekretär Morak wirklich eines
gelungen: Es waren schon fast alle Künstler gegen ihn, aber jetzt sind
mittlerweile alle Kunstschaffenden, alle Künstler, alle an kulturpolitischen
Fragen interessierten Menschen in diesem Land, alle Kulturkommentatoren
geschlossen gegen ihn, weil das einfach eine Unverfrorenheit war! (Beifall bei der SPÖ.)
Diese einhellige Kritik an dieser Vorgangsweise
reicht von Provinzialisierung bis zur politischen Rache. Es wird als
Bestrafungsaktion politisch Missliebiger gesehen. Und das hat tatsächlich auch
ein fatales Signal, weit über die Tatsache hinaus, dass 364 000 EUR
gekürzt worden sind. Es hat das fatale Signal der österreichischen
Bundesregierung und des verantwortlichen Kunststaatssekretärs, dass alle
Künstler und Kulturschaffenden nun tatsächlich genau wissen: Wenn man mit
dieser Regierung nicht einverstanden ist, wenn man nicht angepasst ist, dann
wird man bestraft, und dann werden Förderungen gekürzt. Das ist vorauseilender
Gehorsam, der verlangt wird, das ist vorgezogene Zensur, und dagegen treten wir
ganz entschieden als Stadt Wien ein! (Beifall
bei der SPÖ.)
Der Fall der Subventionskürzungen der Wiener
Festwochen hat nun große Öffentlichkeit erreicht. Ohne großer öffentlicher
Diskussion gibt es unzählige andere Beispiele, und die Festwochen zeigen ja
nur, dass das ganze System Methode hat. Diese Bundeskulturpolitik ist
gekennzeichnet von Gesprächsverweigerung des Staatssekretärs und seiner
Mitarbeiter, ist gekennzeichnet von der Bestrafung von Missliebigen und sie ist
gekennzeichnet von durchsichtigen politischen Motiven. Und auch wenn die
Subventionskürzung der Wiener Festwochen nur der Höhepunkt dieser
wienfeindlichen Politik der Bundesregierung ist, so ist es doch nur eines von
vielen Beispielen. Und das hat Methode, das hat System.
Insgesamt haben die Kürzungen des Bundes bei Wiener
Kunst- und Kultureinrichtungen in den letzten drei Jahren die gigantische Summe
von 15 Millionen EUR ausgemacht. Wir sind sehr bemüht, insbesondere
unser Kulturstadtrat, das Kulturbudget der Stadt Wien zu erhöhen, was ihm
tatsächlich auch in schwierigen Budgetzeiten gelungen ist. Nur, das wird mehr
als aufgefressen durch diese 15 Millionen EUR-Kürzungen, die der Bund
vorgenommen hat. Davon sind viele Theater und Kultureinrichtungen betroffen.
Ich könnte jetzt eine ganze Liste aufzählen; ich erwähne nur zwei markante Beispiele.
Das Wiener Volkstheater, das höchst erfolgreich tätig
ist, hat in den letzten Jahren von der Stadt Wien für die Steigerungen der
Personalkosten ein Mehr an Unterstützung von 800 000 EUR bekommen. Im
gleichen Zeitraum wurde die Förderung durch die Bundesregierung um
2,5 Millionen EUR gekürzt. Das ist fatal für das Volkstheater als
großes Theater in dieser Stadt. Das heißt extremer Kostendruck, das heißt
weniger Produktionen, das heißt weniger Kunst, und das heißt auch bei gleich
bleibender Akzeptanz durch das Publikum, bei gleich bleibender Auslastungszahl,
weniger Publikum und weniger Einnahmen.
Noch fataler ist das für kleine Theater, wie zum Beispiel
das Ensembletheater. Das Ensembletheater bekommt von der Stadt
851 000 EUR Subvention,...früher von der Bundesregierung
240 000 EUR Förderung und diese wurde innerhalb von drei Jahren auf
Null gestellt! 240 000 EUR fehlende Bundessubvention innerhalb von
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