Gemeinderat,
28. Sitzung vom 23.05.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 80
Bundesinstitutionen Burgtheater, Bundesmuseen und Staatsoper
schon sehr lange nicht mehr gleichzeitig einen solchen Besucherzustrom und eine
solche positive Kritik erlebt haben, wie das derzeit der Fall ist. Und auch
wenn es Ihnen schwer fällt: Ganz so unschuldig daran sind wahrscheinlich der
ressortzuständige Bundeskanzler und der Kulturstaatssekretär auch nicht, dass
die Bundesmuseen, die Bundestheater in der Kritik und bei den Besuchern einen
derartigen Boom erleben, wie das derzeit der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP.
– Amtsf StR Mag Dr Andreas
Mailath-Pokorny: Es werden auch Kunstschätze gestohlen aus den Bundesmuseen!) Und zwar ganz gegen Ihre
Prophezeiungen, denn Sie haben uns ja immer gesagt, es wird zur Isolation
kommen, niemand wird mehr nach Österreich kommen, der Provinzialismus wird
Einzug halten und so weiter. Nichts davon ist der Fall.
Sie, Herr Stadtrat, haben noch vor kurzem anlässlich
der Regierungserklärung der neuen Bundesregierung gemeint, dass Sie, wenn Sie
die Regierungserklärung lesen, den Eindruck haben, in einem Agrarland zu leben
und nicht in einem Kulturland. Passenderweise hat Ihnen ja die Kollegin
Ringler, um Ihrem Selbstverständnis gerecht zu werden – ich darf das jetzt mit
Copyright Ringler sagen –, den Titel "Kleingärtner" verliehen und
Ihnen auch gleich die nötigen Utensilien überreicht.
Also wenn Sie ernsthaft sagen, dass die
Regierungserklärung den Eindruck in der Öffentlichkeit ausgelöst hat,
Österreich sei ein Agrarland, dann kann es sich nur um Missgunst handeln, weil
Österreich steht kulturell im Ausland und im Inland hervorragend da. (Amtsf
StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny: Lesen Sie Zeitungen!) Sie werden doch
nicht abstreiten, dass das Burgtheater, die Bundesmuseen und die Staatsoper
noch nie solche Besucherrekorde gehabt haben, dass sie von der Kritik noch nie
so gefeiert wurden. (Amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Provinzialismus! In der "Berliner Zeitung"!) Das sind Ihre
eigenen Interviews, wo das Wort Provinzialismus vorkommt, aber sonst nichts. (Beifall
bei der ÖVP. – Amtsf StR Mag Dr Andreas Mailath-Pokorny: Lesen Sie einmal
ausländische Zeitungen!) Ja, danke. Ich glaube, wir sollten zumindest diese
Ebene der Auseinandersetzung wahren, dass wir uns gegenseitig nicht
unterstellen, dass wir nicht in der Lage sind, ausländische Zeitungen zu lesen.
Das tun wir alle, und wir wissen auch, was da drinnen steht.
Ich glaube, gerade weil
Österreich und Wien – das sage ich durchaus dazu: Österreich und Wien –
kulturell so hervorragend dastehen, dass es notwendig ist, dass wir – und damit
meine ich Wien und der Bund – wieder mehr miteinander kooperieren und sprechen.
Man muss einander nicht lieben, man muss einander auch nicht heiraten, dafür
werden wir in der Politik nicht bezahlt, aber man muss professionell
miteinander umgehen.
Und vielleicht haben die beiden haupthandelnden
Personen, um die es heute in der Diskussion geht, sogar mehr gemeinsam, als
ihnen vielleicht lieb ist. Sie haben ja beide bekanntlich ein starkes
Verhältnis zum Singen. Sie haben es lieber traditionell mit dem Wiener Lied,
der Franz Morak hat es bekanntlich gerne ein bisschen rockiger und ein bisschen
heftiger. Aber stimmgewaltig sind Sie beide. Und ich würde mir sehr wünschen,
dass Sie Ihre gemeinsamen Stimmen einmal für dieselbe Sache einsetzen, weil
darauf hat letztlich das Publikum, der Steuerzahler ein Anrecht, der für all
das zahlt, und darauf haben auch die Künstler ein Recht, dass die notwendigen
professionellen Bedingungen geschaffen werden, um diesen hohen Standard halten
zu können. (Beifall bei der ÖVP.)
Und daher, bei allen politischen Unterschieden, die
immer möglich sein müssen, muss es zu einer professionellen Zusammenarbeit im
Kulturbereich kommen. Wir werden daher, genauso wie wir dem Dreijahresvertrag
der Festwochen zugestimmt haben, auch heute dem Akt der Wiener Festwochen
selbstverständlich zustimmen. Wir sind uns sicher, dass die hohe Qualität und
die Zukunft des Festivals gesichert ist. Wir sollten aber dafür sorgen, dass
wir natürlich wieder den Bund in einer konstruktiven Art und Weise ins Boot
hereinbekommen, denn die Wiener Festwochen sind etwas, was den Wienern gehört,
was aber letztlich auch der Republik gehört. – Vielen Dank. (Beifall bei der
ÖVP.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zu Wort
gemeldet ist Frau Mag Unterreiner. Ich erteile es ihr.
GRin Mag Heidemarie Unterreiner (Klub
der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter
Herr Stadtrat!
Ich möchte einmal in Erinnerung rufen, worum es
überhaupt heute geht. Es geht jetzt nicht um das Festwochenbudget, es geht um
eine zusätzliche Budgetierung, um eine zusätzliche Aktion, um ein zusätzliches
Projekt. Die Festwochen sind ja sowieso schon längst budgetiert mit einem sehr
hohen Betrag, also für die, die noch in Schilling denken und fühlen, mit
135 Millionen S, das sind 9,811 Millionen EUR.
Heute geht es um einen zusätzlichen Ort für
politische Diskussionen. Also nicht Diskussionen über Schauspieler, Theater,
Tanz, sondern ganz bewusst politische Diskussion. Und ich würde sagen, das ist
ja auch bemerkenswert. Es wird also hier eine zusätzliche politische Bühne
geschaffen, um über gesellschaftspolitische Veränderungen zu diskutieren. Es
ist wieder eine Politaktion, vielleicht nicht so wie der Container damals vor
der Oper, aber wieder ein Container, diesmal vor dem Museumsquartier.
Und wir finden, dass man dabei wieder einmal völlig außer
Acht lässt, wofür überhaupt die Festwochen gegründet wurden. Man sollte immer
wieder daran erinnern, das schadet nicht. Im Gesellschaftsvertrag steht:
"Durchführung kulturell hochwertiger und innovativer Festwochen, die
geeignet sind, das Kulturleben in Wien Traditionen bewahrend und nach Neuem
suchend zu fördern und damit das Ansehen der Stadt Wien als Pflegestätte der
Kultur zu wahren und zu mehren und für den Besuch im In- und Ausland zu
werben." Das heißt, es geht nicht darum, dass da drinnen steht, man soll
auch über Politik diskutieren. Von politischen Aktivitäten steht auch nichts
drinnen.
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