Gemeinderat,
28. Sitzung vom 23.05.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 8 von 80
absurd ist angesichts der Tatsache, dass erstmals besonders
viele Bundesländer-Produktionen bei den Wiener Festwochen stattfinden. Während
der Bund seine Förderungen für Wien kürzt, erhöht Wien seine Förderungen für
die restlichen Bundesländer. Wir springen also nicht nur für die Kürzungen in
Wien ein, wir springen auch noch für die Kürzungen in den Bundesländern ein.
Dann gab es einmal die Begründung gegenüber dem
Geschäftsführer Wolfgang Wais, dass der Bund keinen Einfluss auf die Inhalte
hat. Ich glaube, wir haben auch hier im Gemeinderat ausreichend Debatten
darüber geführt, dass es im Verständnis von Kulturpolitik im Grunde zunehmend
darum geht, dass die Kulturpolitik eben keinen Einfluss auf die Inhalte mehr
nimmt. Offensichtlich wird da eine entgegengesetzte Politik des Bundes
verfolgt.
Es gab auch die Begründung, dass der Staatssekretär
nicht eingeladen wurde. Der Staatssekretär wird immer wieder eingeladen, aber
er kommt einfach nicht.
Es gab ferner die Begründung, dass die
Kunstfördermittel des Bundes gezielt und ausgewogen zwischen der
Bundeshauptstadt und den Bundesländern einzusetzen seien, oder auch die
Begründung, dass in Zukunft vermehrt soziokulturelle Projekte gefördert werden
müssen. Das ist eine besonders interessante Begründung.
Aber es geht jetzt gar nicht so sehr um die Debatte
der Begründungen, wie hanebüchen oder an den Haaren herbeigezogen sie auch sein
mögen, sondern die Frage ist, worum es da politisch geht. Das wurde ja in den
letzten Tagen auch in den internationalen Medien ausreichend behandelt. Kein
einziges Medium, das ich kenne - mit Ausnahme der "Wiener Zeitung" -
hat eigentlich bisher im Entferntesten die Begründung aufgegriffen, die von
Seiten des Staatssekretariats geliefert wurde. Überall - und das ist die
eigentliche, fast möchte ich sagen: Schande für das Kulturland Österreich -
wird darüber geschrieben, dass es eine politische Bestrafungsaktion ist, dass
es darum geht, dass die Bundeshauptstadt Wien systematisch mit weniger
Ressourcen von Seiten des Bundes auskommen muss.
Es wird damit etwas initiiert, was im Grunde
besonders perfid ist. Es wird ein Konkurrenzkampf zwischen Bundesländern
geschürt, obwohl es überhaupt keine Konkurrenz geben müsste. Wir wollen nicht,
dass die Bregenzer Festspiele weniger Geld bekommen. Wir wollen nicht dass der
Steirische Herbst gekürzt wird. Wir wollen nicht, dass es weniger Geld für die
Bundesländer gibt. Da gibt es ein ganz einfaches Mittel: Man möge sich doch
schlicht und einfach um mehr Geld für das Kulturbudget des Bundes bemühen! Das
geschieht nicht ... (StR Dr Peter Marboe: In der Stadt auch!)
In der Stadt auch, lieber Kollege Marboe! Ich kann
mit einigem Stolz auf eine Steigerung um 10 Prozent in den letzten beiden
Jahren verweisen. Es ist das Ergebnis von einigen Bemühungen, der Bund kürzt
nämlich schon wieder. Der Bund hat schon wieder gekürzt, dazu gibt es leider
überhaupt keine Debatte, und es gibt dafür auch keine Rechtfertigung.
Es gibt einen anderen sehr einfachen Vorschlag, den
ich auch schon gemacht habe, weil immer wieder die Debatte kommt: Na ja, in Wien
sind aber die Bundestheater! In Wien sind die Bundestheater, und der Herr
Staatssekretär erhöht dann immer den Prozentanteil: Zuerst waren es 45, dann
waren es 62, jetzt sind es 86 Prozent, und wenn wir noch eine Woche
debattieren, hat Wien wahrscheinlich 150 Prozent des Kunstbudgets. Man
soll einfach die Bundestheater auf Tournee schicken - eine ganz einfache
Maßnahme! Das gab es auch schon, es hat gute Tradition. Ich bin überzeugt
davon, die Freunde in Vorarlberg wären glücklich, einmal ein Burgtheater-Produktion
im Kornmarkttheater zu sehen. Ich bin überzeugt davon, Herr Staatsoperndirektor
Holender wäre froh, wenn er eine Produktion im Landestheater Klagenfurt
aufführen könnte. Das kostet nichts, und man macht den Bundesländern nicht nur
eine Freude, sondern man geht mit dem Steuergeld auch entsprechend um. Das
würde ich unter einer vernünftigen Förderung der Bundesländer und einem
Ausgleich der Fördergelder für die Bundesländer verstehen, aber nicht, dass man
einen Konkurrenzkampf beginnt, der im Grunde überhaupt niemandem etwas nützt.
Bezeichnenderweise weiß man bis heute nicht, was mit
den 350 000 EUR für die Wiener Festwochen geschehen soll, um die
offensichtlich so dringend, in den laufenden Betrieb hinein, gekürzt werden
musste. Bislang wurde uns vorenthalten, für wen das jetzt gilt. Sind es die
Passionsspiele in Erl? Oder sind es die Bregenzer Festspiele? Das steht heute
in der "Neuen Zürcher": Die Passionsspiele in Erl bekommen das Geld
von den Wiener Festwochen. Da soll sich der Herr Staatssekretär einmal
hinstellen und das sagen, dann kann man zumindest öffentlich darüber
debattieren.
Ein Weiteres: Meine Damen und Herren, es geht hier um
vieles tiefer! Es geht um das Auspacken ganz alter Ressentiments, nämlich von
Ressentiments der Bundesländer gegen die Bundeshauptstadt. Es werden alte
Begriffe aus dem Ständestaat wieder ausgegraben: "Wasserkopf Wien"
gegen die Bundesländer. Ich halte das für besonders bedenklich. (Widerspruch bei der ÖVP.) Ich halte das
für besonders bedenklich, auch wenn der Herr Kultursprecher der FPÖ das sehr
erheiternd findet. Die Frage, was dahinter steht, welches Gedankengut dahinter
steckt, ist natürlich, dass man mit uralten Phrasen wieder diesen
Konkurrenzkampf anzuheizen beginnt. Es geht darum, Wien als internationale,
weltoffene Stadt zu treffen, und es geht letztendlich um eine politische
Bestrafungsaktion für all diejenigen, die sich politisch äußern, die sich
kritisch geäußert haben und die vielleicht auch nicht mit den Äußerungen der
Bundesregierung einverstanden sind. Es geht um eine Ausdünnung der Ressourcen
und um ein Austrocknen von kritischem Potenzial in diesem Land.
Da Herr Nationalratspräsident Khol kürzlich gesagt hat:
"als Tiroler freue ich mich, dass Staatssekretär Morak nicht die
Prosecco-Empfänge in Wien fördert, sondern die Initiativen in den
Bundesländern", frage ich mich erstens einmal, zu welchen
Prosecco-Empfängen der Herr Nationalratpräsident geht, und zweitens, was er mit
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular