Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 31 von 78
Neoliberalismus verdammt – und dies durchaus zu Recht, würde
ich sagen, denn niemand von uns möchte etwa ein englisches Gesundheitssystem,
und wir sind auch zu Recht entsetzt darüber, dass das Schienennetz in England
verkauft wurde und jetzt wieder mühsam zurückerworben werden muss -, tappt die
SPÖ hier nicht nur in eine Falle klassischer neoliberaler Politik, sondern man
stiehlt sich dabei auch locker aus der Verantwortung für die Daseinsvorsorge.
Die Daseinsvorsorge ist etwas, dessen Sicherung die Aufgabe eines Politikers
ist. Er hat dafür zu sorgen, dass lebensnotwendige Einrichtungen wie die
Wasserversorgung, aber auch die Abwasserentsorgung für die Bürgerinnen und
Bürger der Stadt sichergestellt sind. (Beifall bei der FPÖ.)
Befremdlich
ist auch die gesamte Vorgehensweise rund um dieses Aktenstück, und das
verstärkt meinen Eindruck, dass auch Sie sich bei diesem Tagesordnungspunkt
nicht sehr wohl in Ihrer Haut fühlen. Die Verträge lagen, wie schon erwähnt,
bei der Akteneinsicht nicht auf. Stattdessen wurde uns ein fünfseitiges Papier
ausgehändigt, das äußerst dürftige Informationen enthielt, gerade über die
Grundzüge der Transaktion. Es waren keine Angaben über das Volumen
beziehungsweise über den Betrag, den die Stadt erhält, vorhanden. Es wurde mit
keiner Silbe angesprochen, welche Kanzlei die Verträge ausgearbeitet hat,
welche Art von Prüfung erfolgt ist, durch wen, was die Prüfung gekostet hat et
cetera. Als wir das im Ausschuss urgiert haben, wurde uns mitgeteilt, wir
könnten die Verträge in der MA 2 einsehen, aber kopiert werden dürften sie
nicht.
Sehr geehrte Damen und Herren! Laut Geschäftsordnung
ist vorgesehen, dass die Gemeinderäte das Recht haben, die Aktenstücke bei der
Akteneinsicht einzusehen und auch Ablichtungen und Abschriften davon
herzustellen.
Wir haben daraufhin an den Gemeinderatsvorsitzenden
das Ansuchen gerichtet, dass diese Verträge abgelichtet werden dürfen, und
haben bis heute leider keine Antwort erhalten. Ich denke, das ist auch eine
Vorgehensweise, die dieses Hauses nicht würdig ist.
Ich möchte noch einmal kurz auf die
verantwortungsvolle Aufgabe der Sicherung der Daseinsvorsorge zurückkommen. Wir
haben in der Ausschusssitzung die Frage angesprochen, ob man, wenn diese
Cross-Border-Leasing-Transaktionen so ungefährlich sind und man überhaupt keine
Bedenken haben muss und das wirklich ein Geschäft ist, bei dem es nur Vorteile
gibt, dann nicht auch die Einrichtungen der Hochquellwasserleitungen verleasen
könnte. Ich habe Frau StRin Kossina gefragt, ob sie das plant, und sie war ganz
entsetzt und hat sofort abgewunken und gesagt, die Einrichtungen der
Wasserversorgung, die Rohre der Hochquellwasserleitungen, die Pumpstationen et
cetera würden keinesfalls cross-border-verleast, das stünde überhaupt nicht zur
Diskussion. Und Herr GR Hufnagl hat mir etwas brüskiert den Gesetzestext
zitiert, mit dem wir vor einiger Zeit die Einrichtungen der Wasserversorgung
unter Verfassungsschutz gestellt haben.
Ich möchte Ihnen hier und heute in dieser
Gemeinderatssitzung noch einmal die Frage stellen: Wenn Cross Border Leasing so
ungefährlich ist, warum dann eigentlich nicht auch die Wasserversorgung
verleasen?
Wir haben - Gott sei Dank, muss man im Nachhinein
sagen - diese Wasserversorgungseinrichtungen unter Verfassungsschutz gestellt,
natürlich auch mit unseren Stimmen. Wir waren uns damals noch gar nicht
bewusst, wie wichtig das sein wird und wie wichtig dieser Beschluss war, denn
damals haben auch die Sozialdemokraten mitbeschlossen, die Wasserversorgung der
Stadt Wien vor dem Ausverkauf durch eine sozialdemokratische Stadtregierung zu
schützen. (Beifall bei der FPÖ.)
Wie schon
gesagt: Nicht nur die Versorgung mit frischem Wasser ist wichtig, sondern auch
die Entsorgung von Abwasser ist ganz besonders wichtig für die Infrastruktur
einer Stadt. Wir wollen daher in der morgigen Landtagssitzung einen Antrag
einbringen, der auch die Abwasserentsorgungsanlagen der Stadt durch eine
Zweidrittelmehrheit schützen soll. Wir fordern in diesem Antrag, den wir morgen
einbringen werden, dass die bestehende Wiener Abwasserentsorgung durch
städtische Abwasserentsorgungsanlagen keine Verringerung erfahren darf und dass
zu einem Beschluss des Gemeinderats über die Veräußerung von Liegenschaften
oder Anlagen der Gemeinde, die der Wiener Abwasserentsorgung dienen oder für
diese sonst von wesentlicher Bedeutung sind, eine Mehrheit von zwei Dritteln
der abgegebenen Stimmen erforderlich ist. Dies soll auch für sonstige Verfügungen,
die im Ergebnis einer Veräußerung gleich oder ähnlich sind, gelten. In
formeller Hinsicht werden wir die Zuweisung dieses Antrags an die amtsführende
Stadträtin der Geschäftsgruppe für Umwelt beantragen. (Beifall bei der FPÖ.)
Sehr
geehrte Damen und Herren! Die Freiheitliche Partei lehnt Spekulationsgeschäfte
mit öffentlichem Gut ab. Werden auch Sie sich des Unterschieds, der zwischen
einer Kommune und einem Unternehmen besteht, bewusst und nehmen Sie Abstand
davon, lebensnotwendige Einrichtungen zu verkaufen! Werden Sie von der
Sozialdemokratie Ihrem sozialdemokratischen Anspruch und den Bedürfnissen der
Steuerzahler wieder gerecht, denn sonst müssen unsere Kinder und Enkelkinder in
30 oder 35 Jahren das Kanalnetz wieder zurückkaufen, und das ist sicher
nicht im Sinne der Generation, die dieses Kanalnetz bezahlt und aufgebaut hat,
im Sinne der Steuerzahler, mit deren Steuergeld diese Einrichtungen errichtet
wurden! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Zum
Wort gemeldet ist Herr GR Wutzlhofer. Ich erteile es ihm.
GR Jürgen Wutzlhofer (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!
Das Cross-Border-Leasing-Projekt bringt im konkreten Fall
der Stadt Wien zirka 30 Millionen EUR an Nettobarwertvorteil und
darüber hinaus 121 Millionen EUR als so genannte echte Finanzierung -
das ist eine Art Kredit.
Was wird die Stadt Wien, was werden wir mit diesem Geld
machen? - Wir werden das Wiener Kanalnetz
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