Gemeinderat,
27. Sitzung vom 23.04.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 24 von 78
und es ist natürlich so, dass es
Volksvermögen ist, das hier dem Volk entzogen und aus der Verantwortung
herausgenommen worden ist. Selbstverständlich haben wir außerdem noch immer
eine Haftung. Auch wenn diese in 20 Jahren gegen null gewandert sein wird,
haben wir doch als Gemeinde nach wie vor die Haftung zu übernehmen, und zwar in
einer Höhe von 800 bis 900 Milliarden ATS, welche keineswegs gering
ist.
Man muss
festhalten, wenn man sich diese Situation noch einmal näher betrachtet, dass
das natürlich auch mit ein Grund dafür ist, dass die wirtschafts- und
arbeitsmarktpolitische Situation in Wien so schlecht ist. Sie könnte besser
sein. Wir haben 60 Milliarden ATS an Stadtverschuldung, wir hätten
damit eine schöne Reduktion erreichen können. Allein in den letzten zehn Jahren
hat sich die Stadtverschuldung von 30 Milliarden auf 60 Milliarden ATS
erhöht und somit verdoppelt. Da wäre viel möglich gewesen. Daran zeigt sich,
dass die Probleme in dieser Stadt auch hausgemacht sind und man es nicht immer
- wie das hier reflexartig gemacht wird - der Bundesregierung in die Schuhe
schieben kann.
Das
Vorgehen bei dem Bank-Austria-Deal erinnert mich auf alle Fälle an einen
Rückfall in ein Feudalsystem, in dem rote und schwarze Lehensherren ihre
Almosen verteilt haben. Nichts anderes kann ich dazu festhalten. (Beifall
bei der FPÖ.)
Vorsitzende
GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Als nächster Redner ist Herr
Mag Reindl am Wort. Ich erteile es ihm.
GR Mag
Thomas Reindl (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtags und Gemeinderats): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine Damen und
Herren!
Ein bisschen
habe ich hier den Eindruck, dass die ÖVP offensichtlich noch im Osterritual der
Selbstgeißelung steckt. Ostern ist seit dem Wochenende vorbei, und ich glaube
auch, dass Sie ein bisschen zu sehr - und vielleicht auch die eine oder andere
Oppositionspartei außer der ÖVP - in einer virtuellen Welt leben.
Wenn wir
uns heute in der Situation befinden, über die Bank Austria zu sprechen, müssen
wir auch ein bisschen über den Tellerrand unseres kleinen Österreichs blicken.
Wenn wir uns hier einmal die Börsenkurse anschauen, weil ja diese ach so böse
HVB respektive Bank Austria solche Verluste eingefahren hat - ich bin ein
bisschen erstaunt darüber, dass dies die Partei, die sich die
Wirtschaftskompetenz auf ihre Fahnen heftet, mit keinem Wort erwähnt hat. (Zwischenruf
des GR Mag Alexander Neuhuber.) Herr Neuhuber hat kurz darauf hingewiesen. (GR
Walter Strobl: Also!)
Der DAX
sich im 52-Wochen-Abstand um 60 Prozent reduziert, der Wert der
Commerzbank-Aktie im 52-Wochen-Abstand um 74 Prozent. (GR Mag Christoph
Chorherr - eine Graphik in die Höhe haltend -: Und die Erste Bank?) Die
Erste Bank, lieber Herr Chorherr - und das ist leider auch eine Wahrheit -,
notiert an einer europäischen Randbörse, die international null Beachtung
findet. Den Schluss zu ziehen: weil die Erste Bank in Österreich notiert und
sonst nirgends gelistet wird (Zwischenruf des GR Mag Christoph Chorherr),
dass das ein Garant dafür ist, dass eine andere Bank, die auch in Wien an der
Börse notiert, keinen Kursverfall hat, das müssen Sie mir vorhüpfen! (GR Dr
Wilfried Serles: Was haben Sie gegen ...?) Das ist ein X für ein U.
Die
Deutsche-Bank-Aktie ist um 60 Prozent im Wert gesunken, Blue Chips in der
Versicherungsbranche wie Münchener Rück und Allianz um 82 und 84 Prozent.
Über die Technologie-Aktien will ich mich nicht äußern, da wissen wir ohnehin,
wie das Desaster ausschaut.
Leider hat
diese internationale Börsenentwicklung auch vor der HVB-Bank-Austria-Aktie
nicht Halt gemacht, und daher kann man nicht die Stadt für die internationale
Entwicklung der Aktienkurse verantwortlich machen. Das ist der private Markt,
meine Damen und Herren! Das ist die Privatwirtschaft, die von der ÖVP so sehr
gefordert wird: Mehr privat, weniger Staat! (GR Gerhard Pfeiffer: ... so lange
zugeschaut!) Die Konsequenz ist eben, dass die Aktienkurse nicht nur nach
oben, sondern auch nach unten gehen, meine Damen und Herren. (GR Gerhard
Pfeiffer: So lange zuzusehen ist nicht verantwortungsvoll!)
Ein
weiteres Argument, weil die ÖVP hier so großspurig sagt: wenn wir noch weiter
in der Regierung gewesen wären - der Wähler hat Sie ja klar in die Schranken
gewiesen! (GR Dr Andreas Salcher: Wir haben gewonnen!) Herr Salcher, ich
würde Ihnen überhaupt empfehlen, dass Sie einmal mit dem Rabenhof reden, dort
könnten Sie sicher auftreten mit Ihrem Redebeitrag, den Sie heute gebracht
haben. (GR Dr Andreas Salcher: Nur mit Ihnen gemeinsam!) Verraten Sie
mir einmal, wie hätten Sie den Kursverfall an einer Börse verhindert? Wie
verhindern Sie das? (GR Dr Andreas Salcher: Wenn wir sofort total
privatisiert hätten!)
Ja, ich
darf Ihnen sagen, die HVB total privatisiert - die HVB ist zu 65 Prozent
in Streubesitz. 65 Prozent sind in Streubesitz, und 35 Prozent werden
von institutionellen Investoren gehalten. Zum Beispiel die Stadt Wien ist einer
davon, beziehungsweise die AVZ, und andere auch noch. (Zwischenruf des GR Dr
Andreas Salcher.) Herr Salcher, ist die HVB eine private Bank? Eine
einfache Frage: Ist die HVB eine private Bank? (GR Dr Andreas Salcher: Ist
die Stadt Wien an der HVB beteiligt?) Also, Sie verstehen es nicht! Sie ist
privatisiert, sie ist zu 65 Prozent in Privatbesitz.
Was wäre
die Alternative gewesen? Hier wird auch von einer sofortigen Privatisierung
gesprochen (GR Dr Andreas Salcher: ... das Aktienpaket!); über den
Aktientausch war dies auch eine Privatisierung, übrigens ein Projekt wie bei
der Erste Bank, diese hat, glaube ich, auch immer mit Aktientausch gearbeitet.
Was wäre also die Alternative gewesen? - Hätten wir zum damaligen Kurs verkauft,
meine Damen und Herren, dann hätten Sie uns heute geschlagen, wenn der Kurs
hinaufgegangen wäre und wir damals die Aktien zu billig verscherbelt hätten.
Abschließend ist zu sagen: Ich verstehe überhaupt nicht die
Wehleidigkeit, die wegen der CA bei der ÖVP noch immer herrscht. Wir glauben,
dass die Bank Austria für die Stadt durchaus noch immer keine spekulative
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