Gemeinderat,
26. Sitzung vom 28.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 67
an Lösungsmöglichkeiten arbeiten.
Wenn man Schwächen im Sozialsystem erkennt, warum
bekämpft man diese Schwächen nicht mit Transparenz, Demokratisierung,
Offenheit, Mitspracherecht der Beschäftigten, Mitspracherecht der politisch
Verantwortlichen? Warum wählt man den Weg einer Ausgliederung, von der heute
noch überhaupt niemand sagen kann, wie diese am Ende tatsächlich aussehen wird?
Bedauerlichweise wurde von Ihrer Seite, von der Seite der Wiener
Sozialdemokratie, heute auch kein einziges Angebot an die Oppositionsparteien
gerichtet, gemeinsam an dieser Reform mitzuarbeiten.
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie nach wie vor der
Meinung sind, mit dem Ergebnis von 47 Prozent der Stimmen bei der letzten
Wahl gehört die Stadt Ihnen. Denn das, was Sie, insbesondere Frau StRin Laska,
gesagt haben, war: Das nächste Mal wird sich der Gemeinderat im Winter damit
beschäftigen können, und am 1.1.2004 wird die Reform umgesetzt. Was ist das für
eine Mitsprache? Was ist das für eine Mitwirkungs-, Mitgestaltungsmöglichkeit,
wenn man im Dezember als einzige Möglichkeit die Chance hat, Ja und Amen oder
Nein zu sagen, wobei man von vornherein weiß, der Mehrheit der Sozialdemokratie
ist es vollkommen egal, ob die Opposition zustimmt?
So muss man auch die Wortmeldung des Kollegen
Hundstorfer ein bisserl als Verhöhnung des Gremiums bezeichnen, wenn er sagt,
der Gemeinderat gibt dem Fonds Soziales Wien das Geld. Ja, das stimmt. Egal, ob
die Opposition mitstimmt oder nicht, die Sozialdemokratie, die im Fonds
Soziales Wien sehr viel mitzureden hat, gibt dem Fonds Soziales Wien jedes Mal
die finanziellen Mittel. Es bedarf nicht der Zustimmung der Opposition, und der
Rückschluss, weil es nicht der Zustimmung der Opposition bedarf, will die
Sozialdemokratie auch überhaupt niemand von der Opposition im Fonds Soziales
Wien sehen, ist leider zulässig. Nur: Dann reden Sie nicht von Demokratie, dann
reden Sie nicht von Transparenz, reden Sie nicht von Offenheit! Das ist eine
Methode, die einzig und allein dazu dient, Dinge, die möglicherweise nicht ganz
in Ordnung sind, zu vertuschen. Es ist eine Methode, die dazu dient, Misstrauen
und nicht Vertrauen zu nähren. Denn wenn Sie es anders machen wollten, sehr
geehrte Damen und Herren der Sozialdemokratie, so haben Sie bei jeder
Gemeinderats- und jeder Landtagssitzung die Möglichkeit, mehr Offenheit in das
Wiener politische System hineinzubringen, mehr Offenheit in die Sozialpolitik
in Wien hineinzubringen, und wir fordern das von Ihnen ein. Wenn Sie
tatsächlich der Meinung sind, dass es sinnvoll ist, gemeinsam die Sozialpolitik
in Wien zu gestalten, dann ersuche ich Sie dringlichst, gerade bei dem
erweiterten Aufgabengebiet, welches der Fonds Soziales Wien in Zukunft haben
wird, diesem Ersuchen Folge zu leisten, dafür Sorge zu tragen, dass in Hinkunft
die Opposition nicht bezüglich immer breiterer Teile des politischen Spektrums,
für das die Stadt Wien zuständig ist, vor verschlossenen Türen steht, sondern
dass es wirklich möglich ist, gemeinsam mitzugestalten.
Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die
Ausgliederungen dazu da sind, wettbewerbsfähig zu bleiben im europäischen
Kontext. Ich glaube, dass das zu kurzsichtig ist, ich glaube, dass – je
nachdem, in welcher Art und Weise die Liberalisierungsbestrebungen der
Europäischen Union beziehungsweise die Liberalisierungsbestrebungen im Rahmen
des jetzt verhandelten GATS-Abkommen sich ihrem Ende zuneigen – jede weitere
Ausgliederung, die die Stadt Wien plant, Vorreiterin dafür sein kann, dass
dieser Bereich gänzlich dem politischen Handlungsspielraum entzogen wird und
wir in Hinkunft mit einer Unzahl von Anbietern im Gesundheitsbereich, im
Sozialbereich konkurrieren müssten, wobei nicht sichergestellt ist, dass die
von Ihnen hervorgehobenen Qualitätskriterien tatsächlich Beachtung finden.
Wer jetzt schon die Voraussetzungen dafür schafft,
dass die Abwicklung der Pflegebetreuung über eine GesmbH erfolgt, dass die
Obdachlosenhilfe über eine GesmbH erfolgt, dass im Gesundheitsbereich weiter
ausgegliedert wird, dass der Fonds Soziales Wien für zentrale Dienstleistungen
zuständig ist – ich betone das Wort "Dienstleistungen" –, der
wird sich nicht wundern müssen, wenn sich auch der Fonds Soziales Wien
plötzlich der Dienstleistungskonkurrenz stellen wird müssen. (GRin Erika Stubenvoll: Das bleibt uns nicht
erspart!) Es bliebe möglicherweise schon erspart, denn noch – und das sehen
nicht einmal die gegenwärtigen GATS-Verhandlungen vor, das sehen nicht einmal
die Reglementierungen innerhalb der EU vor –, noch dürfen Gemeinden öffentliche
Dienstleistungen selbst erbringen und mit ihren eigenen Beschäftigten
bereitstellen. Nur wenn sie nicht mehr direkt bei der Gemeinde Wien beschäftigt
sind, sondern eben ausgegliedert in einer GesmbH, wenn formal – ich betone:
formal – eine Privatisierung vollzogen wurde, dann befinden wir uns in dem
Wettbewerb, den wir hoffentlich gemeinsam ablehnen, nämlich einen
Dumpingwettbewerb, einen Sozialdumpingwettbewerb auf Kosten der Bevölkerung.
Ich ersuche Sie, das wirklich zu bedenken (GRin Erika Stubenvoll: Das machen wir ja!),
denn wir wollen nicht, dass das Kuratorium der Wiener Pensionistenheime dann
plötzlich mit Privaten konkurrieren muss, und es wird einzig und allein die
Qualität gesenkt und es wird teurer. (GRin
Erika Stubenvoll: Das habe ich Ihnen ja gesagt, dass wir die Qualität sichern
wollen!) Aber Sie erbringen mit den geplanten Ausgliederungen die
Vorleistungen dazu.
Der zweite Punkt – das hat mich schon ein bisserl
erschüttert – ist heute natürlich auch gekommen. Wir alle wissen, dass unter
dem Deckmantel, dass überall gespart werden müsse, auch gespart wurde. Ich
betone absichtlich das Wort "Deckmantel", denn gerade in den
vergangenen 15 Jahren hat es immer geheißen, dass wir sparen müssen,
während die Gewinn- und Vermögenseinkommen exorbitant gestiegen sind. Es ist der
gesellschaftliche Reichtum in den letzten 15 bis 20 Jahren nicht geringer
worden – das wissen Sie genauso gut wie ich –, der gesellschaftliche Reichtum
ist gestiegen, er wird nur noch ungleicher verteilt als noch vor vielen
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