Gemeinderat,
25. Sitzung vom 06.03.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 91
tatsächlich verbindlichen Verhandlungen im Rahmen der
Europäischen Union.
Und daher, Herr Klubobmann Chorherr, ist es
entscheidend, dass die Mitteilung heute stattfindet, bei dieser
Gemeinderatssitzung. Möglicherweise haben Sie Recht, sie könnte genauso um
15 Uhr stattfinden. Aber entscheidend ist, dass wir zu diesem Zeitpunkt,
jetzt sage ich nicht nur Farbe bekennen, sondern tatsächlich den Versuch
unternehmen, in den Verlauf der Verhandlungen einzugreifen. Das ist der Sinn
meiner Mitteilung und nicht der Sinn, irgendwie Zeit zu gewinnen.
Ich komme jetzt zum Inhalt. Es hat am
28. Februar, also verhältnismäßig spät, denn Ende Februar war ja auch bereits
der Ablauf der Frist für die österreichische Meinungs- und Willensbildung, also
man kann sagen am letzten Tag, auf Einladung des Wirtschaftsministers in der
Wiener Hofburg eine große Runde stattgefunden, wo das Thema GATS behandelt
worden ist, sehr kontroversiell, wie Sie den Zeitungen entnehmen können. Es hat
damals der Wirtschaftsminister Bartenstein gemeint – ich zitiere hier wörtlich
–, "GATS biete sowohl den Industriestaaten als auch den
Entwicklungsländern Chancen für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum und stelle
somit eine Win-Win-Situation dar. Das Abkommen werde bei stärkerer
Liberalisierung des Handels mit den Dienstleistungen entsprechende
Rahmenbedingungen schaffen, die mehr Sicherheit und faire Chancen für
österreichische Unternehmen beim Export bringen."
Ich unterstreiche das. Man muss nur dazusagen: Es nur
die halbe Wahrheit. Denn es ist zwar richtig, dass sich gerade der Standort
Wien entwickelt hat in Richtung eines sehr offensiven
Dienstleistungsstandortes. Immerhin 81,4 Prozent des regionalen
Bruttowirtschaftswachstums gehen auf den Dienstleistungssektor zurück. Die
Struktur der Wiener Wirtschaft ist so, dass wir annehmen können, dass sie
international offensiv agieren kann und dass man damit rechnen kann, dass durch
eine Erweiterungsmöglichkeit hier zusätzliche Chancen wahrgenommen werden
können.
Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht
ja auf der anderen Seite nicht nur um das Wachstum des Bruttonationalprodukts,
sondern es kommt auch darauf an, welche Auswirkungen das Unternehmen GATS auf
die Frage der Entwicklung der Beschäftigung, auf die Frage der
Einkommenssituation, auf die Arbeitnehmerrechte, auf die soziale Sicherheit und
auf den Konsumentenschutz hat. Und das ist ein bisschen in den Erklärungen des
Ministers Bartenstein zu kurz gekommen, glaube ich. Daher ist es richtig, dass
man sich nicht nur mit der Frage der Vorteile des Abkommens beschäftigt,
sondern auch mit der Frage der Risken, es nicht sozusagen verteufelt, aber auch
darauf aufmerksam macht, es ist nicht alles nur ein Vorzug für Österreich oder
insbesondere für die Städte und Gemeinden.
Und da geht es im Besonderen um einen wichtigen
Bereich – gerade in Österreich, aber auch in anderen Mitgliedsstaaten – der
öffentlichen Dienstleistungen.
Wir haben – Sie wissen das – am 8. November des
Vorjahres ein Expertenhearing des Finanzausschusses des Gemeinderates
durchgeführt, an der auch einige Kollegen aus diesem Kreis mitgewirkt haben. Es
waren auch Nationalratsabgeordnete dabei. Und da ist auch von den Risken die
Rede gewesen. Und ähnlich war es eigentlich auch bei der Veranstaltung am
26. Februar, also vor wenigen Tagen, die im Rahmen des Hauptausschusses
des Städtebundes erfolgt ist.
Bei all diesen Veranstaltungen, aber auch bei vielen
Wortmeldungen, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat es einen gemeinsamen
Nenner gegeben, nämlich den Unmut über eine absolut miserable und
undemokratische Informations- und Kommunikationspolitik in dieser Frage, und
zwar sowohl auf der österreichischen Ebene als auch in den Strukturen der
Europäischen Union. Ich kann jetzt nur das Bild bestätigten, das auch andere
Mitglieder des Finanzausschusses gewonnen haben seinerzeit im November bei
diesem Hearing. Da hat man den Eindruck gehabt, als wenn man auf eine Nebelwand
der Desinformation stoßen würde. Mittlerweile hat es sozusagen immer wieder
Teilinformationen gegeben, die man so quasi wie kleine Bissen bekommen hat.
Aber eine umfassende, wirkliche Information hat es bis zum heutigen Tag nicht
gegeben. Und ich habe auch heute noch den Eindruck, dass man bei diesem Thema
einem Minenfeld begegnet, von dem gesagt wird, alle Minen geräumt, und
gleichzeitig fliegt einem eine Mine nach der anderen links und rechts um die
Ohren. So schaut ungefähr die Situation aus. Es gibt jedes Mal einen neuen
Punkt, wo man darauf kommt, hoppla, da ist aber eigentlich nicht die volle
Information erfolgt.
Und daher, glaube ich, muss man sagen, dass die Frage
des Umganges mit diesem Abkommen, über dessen Inhalt ich gleich was sagen
werde, auch eine Frage der Nagelprobe des Demokratieverständnisses auf
europäischer Ebene ist. Wir wissen, dass die Europäische Union sich in vielen
Fragen gerade jetzt bemüht um eine Verbesserung in dieser Position. Aber da ist
schon auch die Frage wichtig: Wie gehen wir, wie geht die Europäische Union mit
dem GATS-Abkommen um? Es ist ein Thema, wo es keine Zuständigkeit des
österreichischen Parlaments gibt. Es ist ein Thema, wo es keine Zuständigkeit
des Europäischen Parlaments gibt. Umso wichtiger ist die Frage: Wie geht man
mit dieser Frage um?
Ich glaube, dass man bis zum heutigen Tage nicht mit
gutem Gewissen sagen kann, dass hier die Nagelprobe bereits optimal abgelegt
worden ist.
Dieses demokratische Defizit ist auch im Zusammenhang
damit zu sehen, dass die Bundesländer und Gemeinden im GATS-Abkommen behandelt
werden als Regierungsebene, also somit unmittelbar verpflichtet sind durch das,
was auf der Regierungsebene, der österreichischen Regierungsebene, an
nationalen Verpflichtungen eingegangen wird. Rechtlich und finanziell
unmittelbar irreversibel betroffen. Das ist der Unterschied zu vielen anderen
Abkommen, wo es diesen Durchgriff und diese Vereinnahmung der anderen Ebenen –
also da gibt es nur eine Verpflichtung der Bundesregierung – nicht gibt.
Und diese Frage, meine sehr geehrten Damen und
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