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Landtag, 9. Sitzung vom 21.12.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 8 von 31

 

nicht, und das ist eigentlich mittlerweile die Regel bei uns und eigentlich in ganz Wien, auf einer 30er Straße 70 gefahren wird. Das sind eigentlich die Probleme, mit denen wir uns in der Donaustadt wirklich auseinandersetzen.

 

Frau Hungerländer, ich bin noch keine Sekunde im Stau gestanden, keine Sekunde, genau wie 50 Prozent aller DonaustädterInnen, die kein Auto haben. Reden Sie nicht immer so daher, als wäre das die große Mehrheit der Bevölkerung. Sie haben kein Auto, nicht, weil sie sich keines leisten können, sondern weil sie das wählen. Sie entscheiden sich ganz bewusst dafür.

 

Obwohl autolos, so wie ich, haben sie eine eingerichtete Wohnung, einen vollen Kühlschrank, werden von Freunden und Verwandten besucht, obwohl es in der Donau City zum Beispiel nicht einmal einen Parkplatz im öffentlichen Raum gibt. Meine Mobilität kostet mich 1 EUR am Tag. Ich habe gute Öffis vor der Tür, und ich sage, das steht jedem Donaustädter und jeder Donaustädterin zu. Dafür haben mich die Leute gewählt, und nicht für irgendwelche Autobahnen.

 

Ich beschreibe jetzt noch einmal - man kann es nicht oft genug wiederholen -, warum es in der Donaustadt so zugeht, warum Sie in Staus stehen, in denen Sie sich selbst bewegen, denn Sie sind ja dann der Stau, nicht wahr? Ein SPÖ-Bezirksvorsteher hat 6 Jahre lang ein Parkpickerl verhindert, damit 6 Jahre lang 17.000 Pendlerautos in den Bezirk geschleust, die am Abend wieder hinausgefahren sind. Danke für nichts, lasse ich ihm von hier ausrichten.

 

Mittlerweile kennt jeder den Sager: Bevor nicht das erste Auto durch den Tunnel fährt, bauen wir auch keine Öffis. Ich frage Sie jetzt: Also nie? Denn der Tunnel kommt ja nicht. Der Herr Bürgermeister hat hier gestern eine Latte von Straßenbahnen aufgezählt, die gebaut werden. Ich sage Ihnen: Diese Namen und diese Programme kenne ich schon aus einer Zeit, da war ich noch nicht einmal im Bezirksparlament.

 

Und ich frage Sie jetzt: Warum haben Sie sie nicht gebaut? Warum nicht? Die Wiener Linien, das war immer ein SPÖ-Ressort. Was hat Sie daran gehindert, das umzusetzen? Ich glaube, es zu wissen: Man wollte die Situation in der Donaustadt auf die Spitze treiben, beim Verhindern des Parkpickerls, beim Nichtausbauen des öffentlichen Verkehrs. Man wollte diese Situation. Denn hätte man mit dem Öffi-Ausbau, mit den Radwegen begonnen, vielleicht hätte man dann erkannt: Wir brauchen das gar nicht. Ich glaube, das ist für einige von Ihnen hier herinnen wirklich ein Horrorszenario, das man sich gar nicht vorstellen möchte.

 

Zum Schluss noch: Eine Kollegin von der SPÖ beschuldigte uns gestern, dass uns die 17.000 Menschen in der Seestadt egal sind, die einmal ohne Wohnung dastehen werden, weil die Seestadt Nord ohne Stadtstraße nicht gebaut werden kann. Ganz im Gegenteil. Stellen Sie sich die Seestadt Nord oder überhaupt die Seestadt mit zwei Autobahnanschlüssen vor - das wurde als verkehrsberuhigter Stadtteil geplant! -, stellen Sie sich einmal vor, was dort los ist, wenn das wirklich so kommt, wie Sie sich das vorstellen wollen.

 

Wir mussten uns gestern auch anhören: Nur mit der Seestadt und der Donaustadt werden wir den Klimaschutz in Österreich nicht retten. Na, was ist denn das für eine Message? Jeder Einzelne von uns kann gar nichts machen? Was heißt das? Auch Österreich kann nichts machen? Wien kann nichts machen? Denn wer sind wir schon im Vergleich zu China? - Also diesen Zugang verstehe ich ja überhaupt nicht.

 

Was können wir in der Donaustadt groß machen? Es gibt internationale Vergleiche, ich zeige Ihnen hier einen. (Die Rednerin hält eine Tafel in die Höhe.) Das ist eine Folie der European Climate Foundation, wo die Anstrengungen von 28 EU-Staaten verglichen werden, die Pariser Klimaziele zu erreichen. Ich sage Ihnen, da steht „poor“ bei Österreich, „poor“! Wir haben also noch einen langen Weg vor uns.

 

Ganz zum Schluss möchte ich noch auf eine Wortmeldung von Kollegen Valentin gestern Bezug nehmen, der das Wort Rechtsstaatlichkeit sehr oft in den Mund genommen hat, und immer wieder erwähnt hat, dass die Besetzungen illegal sind, dass der Rechtsstaat sich das nicht gefallen lassen kann. Meine Kollegin Huem Otero Garcia hat es gestern schon mit sehr, sehr guten Beispielen untermauert: Vor ein bisschen über 100 Jahren wurden Frauen, die sich für das Wahlrecht eingesetzt haben, für verrückt erklärt. Das war rechtens. Man hat ihnen die Kinder weggenommen, das war rechtens. Man hat sie eingesperrt, das war rechtens. Man hat sie zwangsernährt, alles unter dem Mantel der Rechtsstaatlichkeit.

 

Ich bin überzeugt, es gab damals auch die Valentins, die sich im Parlament hingestellt haben und so etwas zum Besten gaben. Wären wir immer gehorsam gewesen und hätten wir nie Widerstand geleistet, hätte es dann irgendwann die Abschaffung der Kinderarbeit gegeben oder den Acht-Stunden-Tag? Ich weiß nicht, ob Sie die Sozialistengesetze von Ende des 19. Jahrhunderts aus Deutschland kennen? All das wäre ohne Widerstand nicht möglich gewesen. Also ein bisschen nachdenken, woher man kommt. Vielen Dank.

 

Präsident Ernst Woller: Die Restredezeit beträgt 4 Minuten 46. Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr StR Karl Mahrer. Ich erteile ihm das Wort und freue mich auf seine erste Rede im Wiener Landtag.

 

9.46.08

StR Karl Mahrer|: Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Werte Kolleginnen und Kollegen der Stadtregierung! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher!

 

Heute ist mein zweiter Tag als Stadtrat und gleich der erste Tag in einem Sonderlandtag. Ich freue mich darüber. Ich möchte gerne ein wenig zu den Fakten kommen und die rechtliche und politische Situation und die rechtliche und politische Seite zum durchaus sehr emotionalen Thema S1-Lückenschluss und Lobau-Tunnel beleuchten. Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin sage ich sehr offen: Ich stehe zu unserem Rechtsstaat. Ich stehe deshalb zu unserem Rechtsstaat, weil er auf der Basis einer liberalen Demokratie errichtet ist, und ich glaube, dass wir alle gut beraten sind, zu diesem Rechtsstaat zu stehen.

 

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