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Landtag, 27. Sitzung vom 28.09.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 18 von 51

 

Ich könnte jetzt sozusagen mit meinen Ausführungen enden, das möchte ich natürlich nicht, weil ich noch weiter auf den angesprochenen Werteleitfaden zu sprechen kommen möchte und auch darauf, was in den derzeitigen Entwürfen vorgelegt wird. Falls noch nicht alle die Gelegenheit hatten, den vom Bund vorgelegten Werteleitfaden zu lesen, ich zitiere gerne daraus. Zum Thema Kopftuch heißt es da:

 

„Viertens: Kopftuch im Kindergarten, in Klammer: Gleichwertigkeit. Ein muslimisches Mädchen kommt mit Kopftuch in den Kindergarten. Es will wie seinen älteren Schwestern und die Mutter Kopftuch tragen. Das pädagogische Team sieht darin die in den europäischen Grundwerten verankerte Gleichwertigkeit der Geschlechter gefährdet. Im Gespräch mit den Eltern erklären die PädagogInnen, dass das Kopftuch in der Familie ein Symbol ist, das dazugehörend sein kann, während dies im Kindergarten genau anders gesehen werden kann. Gemeinsam werden Vereinbarungen erarbeitet, zum Beispiel das Kopftuch in der Garderobe abzulegen.

 

Solche Konflikte können im gemeinsamen Dialog geklärt werden. Gleichwertigkeit ist die beste Voraussetzung für gelingende Dialoge. Es gibt kein richtig oder falsch, Dialoge dienen der Verständigung und der Akzeptanz des jeweils anderen. Vermeiden Sie Pauschalierungen, nehmen Sie Ihr Gegenüber im Hier und Jetzt wahr. Seien Sie offen, lernen Sie Ihr Gegenüber im Dialog kennen und verstehen.“

 

Warum zitiere ich das? - Ich zitiere das, weil der Werteleitfaden des Bundes ziemlich genau - man könnte fast sagen, punktgenau - zusammenfasst, was wir im Wiener Bildungsplan, der immerhin 2007 verabschiedet worden ist, an Vorgangsweise festgelegt haben, und was wir erst im Vorjahr durch den erstellten Wiener Leitfaden zum Umgang mit Religionen, Weltanschauungen und Werten verschriftlicht haben. Er entspricht also genau jener Vorgangsweise, die in Wien praktiziert wird.

 

Was ist die Vorgangsweise? Vielleicht auch noch einmal hier an dieser Stelle: Wir in Wien versuchen, grundsätzlich einer Haltung zu folgen, und die Haltung, die in Wiener Kindergärten vertreten wird, ist, dass insbesondere bei jungen Kindern nicht gewünscht wird, dass diese im Kindergarten ein Kopftuch tragen.

 

Und die Stadt Wien, gemeinsam mit den Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern, tut auch etwas dagegen. Das Gespräch mit den Eltern wird gesucht, um zu vereinbaren, dass das Kind im Kindergarten kein Kopftuch trägt. Gleichzeitig wird auch der Grundsatz beachtet, das Kind so anzunehmen, wie es ist und dort abzuholen, wo es steht. Das bedeutet, dass man dem Kind in einem Kindergarten nicht einfach das Kopftuch vom Kopf zieht, so wie man andere Bekleidungsstücke wie eine Hose oder einen Rock nicht einfach so entfernt, sondern dass es eben Handlungen gibt - wie übrigens alle Handlungen im pädagogischen Raum -, wo man gemeinsam mit dem Kind und gemeinsam mit der Familie einen Weg entwickelt, um Nichtgewünschtes zu verändern. Das Kind würde nämlich bei jeder anderen Variante zwischen zwei Fronten geraten, zum Beispiel zwischen Kindergarten und Familie oder, noch schlimmer, aus dem Kindergarten abgemeldet werden. Dadurch gibt es überhaupt keinen pädagogischen Raum mehr, wo man sich aber auch damit auseinandersetzen kann, um zu sehen, ob auf das Kind Zwang ausgeübt wird oder nicht. Das ist ja das, was wir gemeinsam verhindern wollen.

 

Wenn das jetzt so ist, dass ein allfälliger Zwang von einer Betreuungsperson wahrgenommen wird, also einer Kindergartenpädagogin zum Beispiel oder einer Leiterin, dann hat eine Gefährdungsmeldung beim Kinder- und Jugendhilfeträger zu erfolgen und es muss dann so eine Gefährdungsabklärung starten. Und eine Gefährdungsabklärung - ich sage das jetzt ein bisschen, weil das nachher auch noch beim Volksanwaltschaftsbericht Thema sein wird - hat immer zum Ziel, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger feststellt, ob eine Erziehungsfähigkeit der Eltern vorliegt und ob im Hinblick auf die Versorgung, auf die Pflege, auf den Schutz, auf die Förderung des Kindes, aber auch auf die Bindung der Eltern, alles, was es an zur Verfügung stehenden Unterstützungsnetzwerken gibt, auch vorliegt und geprüft werden kann.

 

Wenn jetzt so eine Abklärung feststellt, da hat es etwas, da braucht es zusätzliche Unterstützung oder vielleicht sogar noch schlimmer, dass dem Kind tatsächlich Gewalt angetan wird, dann geht es nach dem Rechtsgrundsatz des gelindesten Mittels immer darum, passgenaue Hilfen zur Verfügung zu stellen. Das kann Unterstützungs- und Informationsarbeit sein, das können Hilfen bei der Erziehung sein, die man beim zuständigen Pflegschaftsgericht beantragt, das kann eben vieles, vieles, vieles sein. Das Ziel ist, passgenau zu arbeiten.

 

Um ein bisschen aufzuzeigen, um welche Relationen es geht. Österreichweit ist das ja oft diskutiert worden, aber gerne auch für Wien. Es heißt immer, das Thema gibt es eigentlich nur in Wien - gerne hier für Wien die Informationen: Ich kann Sie informieren, dass im Zuge der Einschreibungen von weniger als einem Kind pro Jahr bekannt wird, das zu Beginn des Kindergartenjahrs ein Kopftuch trägt. Also, im Schnitt weniger als ein Kind pro Jahr. Und was noch wichtiger ist: Bisher konnte in allen Fällen - ich spreche von allen Fällen - im Gespräch mit den Eltern nach der Vorgangsweise, die wir bis jetzt wählen, eine Lösung gefunden werden, nämlich eine Lösung, in der freiwillig am Schluss mit den Eltern vereinbart wird, dass kein Kopftuch mehr getragen wird.

 

Übrigens, um jede Verunsicherung oder Unwissenheit im Alltag bei den privaten Trägern, bei einzelnen KindergärtnerInnen in der ganzen Stadt zu verhindern, haben wir, hat die MAG ELF im April 2017 alle Betreiberinnen und Betreiber von Kinderbetreuungseinrichtungen über die Meldepflichten beim Thema Kindswohlgefährdung informiert. Auch im Kindergartengesetz ist hier noch einmal nachgeschärft worden. Im März 2018 sind an alle Betreiber im Zusammenhang mit religiöser Erziehung die neuen Maßnahmen und gesetzlichen Verankerungen wie zum Beispiel, dass man ein pädagogisches Konzept vorzulegen hat und offenzulegen hat, als Information ergangen.

 

Präsidentin Veronika Matiasek: Danke, Herr Landesrat. Die 1. Zusatzfrage stellt Frau Abg. Schinner. Bitte.

 

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