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Landtag, 38. Sitzung vom 27.03.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 64

 

sich wahrscheinlich bemüßigt fühlen, dies darzustellen -, dass der Bereichsleiter zu Recht auf die potenzielle Verfassungswidrigkeit der heutigen Beschlussfassung aufmerksam gemacht hat, wenn Zusatzanträge nicht zugelassen werden. Und ich erinnere nur an die Pensionsreform, die unter Schwarz-Blau im Parlament beschlossen wurde: Zusatzanträge der SPÖ wurden nicht zugelassen. Der Verfassungsgerichtshof hat die Pensionsreform aufgehoben, und sie musste erneut beschlossen werden.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Peinlichste, was es gibt, wäre, wenn wir 2016 gleich noch einmal wählen würden, weil der Verfassungsgerichtshof ein Gesetz aufhebt, weil es nicht verfassungsgemäß zustande gekommen ist.

 

Aber an diesem Punkt sind wir in der Geschäftsordnungsdebatte gar nicht. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir demokratiepolitisches Neuland betreten, wenn sich plötzlich Einzelpersonen, die Mandatare sind, so wie wir - so wie wir alle! -, Rechte herausnehmen für eine Entscheidung, die ihnen von keinem einzigen Gremium jemals eingeräumt wurden. Und man darf einfach nicht ableiten, dass einem Präsidenten mehr zusteht als das, was der Landtag beschlossen hat!

 

Und wahrscheinlich gab es sogar einen guten Grund, warum die Vorsitzenden des Wiener Gemeinderates sehr wohl das Recht haben, Zusatzanträge, Abänderungsanträge zu qualifizieren und im Zweifelsfall zuzulassen oder nicht zuzulassen, und dies im Landtag nicht gegeben ist. Ich glaube auch, dass es daran liegt, dass der Gesetzgeber im Normalfall nicht entscheiden will: Ist das ein dummes Gesetz, ein falsches Gesetz, ein intelligentes Gesetz? - Die Mehrheit hat das Recht, Gesetze zu beschließen. Und wenn diese Gesetze anderen Gesetzen widersprechen, hebt sie der Verfassungsgerichtshof auf. Ansonsten haben sie zu gelten.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich ersuche Sie, insbesondere dich, lieber Präsident, bei all deiner Reputation nicht die Geschäftsordnung und die Wiener Stadtverfassung überzustrapazieren und damit möglicherweise eine Verfassungswidrigkeit des zu beschließenden Gesetzes hervorzurufen. - Danke sehr. (Beifall bei GRÜNEN, FPÖ und ÖVP.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Als Nächster zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abg Schicker. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 

14.17.05

Abg Dipl-Ing Rudi Schicker (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates)|: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich kann eigentlich den Ausführungen meiner beiden Vorredner nicht sehr viel abgewinnen, mit Ausnahme der letzten Passage von Kollegen Margulies, wo er gemeint hat, dass der Herr Präsident verhindern soll, dass es zu einer verfassungswidrigen Gesetzgebung kommt.

 

Das ist der entscheidende Punkt. Und die Gutachten, die mir zugänglich sind, die für die Opposition angefertigt wurden, von Experten des Hauses und Experten der Wiener Universität, sind für mich als Nichtjuristen sehr eindeutig, nämlich dass dem Präsidenten die Zuständigkeit zufällt, über die Zulässigkeit von Änderungs- und Zusatzanträgen zu entscheiden, und zwar nach § 126 der Wiener Stadtverfassung oder § 30d Abs 2 der Geschäftsordnung des Landtages.

 

Und ich begründe es weiter damit, dass eine sinnorientierte Auslegung des § 126 daher dazu führen muss, dass sich Zusatzanträge auch auf Themenkreise beziehen können, die vom Ausschussvorschlag bewusst und absichtlich ausgespart worden sind.

 

Es beruht der Vorschlag des Ausschusses darauf, dass zwei Fraktionen, nämlich SPÖ und Freiheitliche, einen Antrag, einen Initiativantrag eingebracht haben, der sich ganz explizit mit einem sehr eingegrenzten Thema unseres Wahlrechts beschäftigt, nämlich mit der Nachfrist für Wahlkarten. Dieses Thema ist so, wie es im Initiativantrag gestanden ist, auch im Ausschuss behandelt worden. Im Ausschuss gab es eine kleine Änderung, eine Adaptierung, die notwendig war, die von allen gemeinsam getragen wurde, und drei von vier im Ausschuss vertretenen Parteien haben diesem Initiativantrag mit dieser Abänderung zugestimmt.

 

So liegt er uns heute vor, und es ist weder ein kleiner Abschnitt herausgenommen worden noch ein kleiner Abschnitt dazugekommen, sondern es ist vom Betreff bis zum Text genau dasselbe wie der Initiativantrag der beiden Parteien, der vom Präsidenten zugewiesen wurde. Man kann also mit Fug und Recht sagen, es ist bei dem, was vom Ausschuss hier in den Landtag gekommen ist, nicht bewusst und absichtlich irgendetwas ausgespart worden, sondern es ist genau das, was der Gesetzeswille der beiden Initiatoren, nämlich der SPÖ und der FPÖ, war.

 

Ich ersuche Sie daher, schon auch zu berücksichtigen, dass der Präsident, wenn er jetzt etwas zulässt, was sich mit dem zweiten Ermittlungsverfahren beschäftigt – egal, ob das im Muttergesetz gemeinsam unter dem V. Hauptstück steht oder nicht -, damit zuließe, dass ein Gesetz entsteht, welches nicht verfassungskonform ist. Und das wollen wir gerade beim Wahlrecht eben nicht. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abg Blind. - Bitte Herr Abgeordneter.

 

14.20.30

Abg Armin Blind (Klub der Wiener Freiheitlichen)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen!

 

Wir haben hier natürlich eine sehr interessante Situation, weil wir vor der Situation stehen, dass die Quoren und Stimmverhältnisse im Ausschuss und hier im Plenum unterschiedlich sind. Wie wir alle wissen, verfügt die - jetzt - Rot-Akkilic-Fraktion über 50 Prozent der Stimmen. Im Ausschuss hat die SPÖ bislang alleine die Mehrheit gehabt. Das ist rechtspolitisch und auch verfassungsrechtlich sehr relevant, weil Art 95 Abs 1 unserer Bundesverfassung normiert, dass die Gesetzgebung von den Landtagen ausgeübt wird, und der Verfassungsgerichtshof in seiner sehr eindeutigen Rechtsprechung auch festgestellt hat, dass eine landesgesetzliche Regelung, die derartig zustande kommt, dass der wahre Wille der Mehrheit - und der wahre Wille der Mehrheit wird

 

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