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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 24.05.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 146

 

schon, dass wir sehr zielgerichtet mit dem heute vorliegenden Poststück agieren, vieles wird noch kommen. Das, was in der Pressekonferenz präsentiert wurde, wird in den nächsten Wochen und Monaten noch zur Abstimmung und zur Debatte vorliegen. Schauen wir es uns gemeinsam an, was hier noch kommen mag, und bewerten wir dann gemeinsam das, was noch kommen wird, was wir im Gesamten für die Kinder und die armutsgefährdeten Familien in dieser Stadt vorhaben. - In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als Nächster ist Herr GR Prack zu Wort gemeldet. Sie sind am Wort.

 

13.10.43

GR Georg Prack, BA (GRÜNE)|: Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die vorliegende Neuregelung von Essens- und Betreuungsbeiträgen für Kinder müssen wir leider als unzureichend bezeichnen, es werden die Einkommensgrenzen in einer absoluten Minimalvariante angepasst. Und wenn Sie davon sprechen, dass jetzt wieder so viele Kinder mehr einbezogen sind, dann ist das unter anderem der Effekt, dass kaum mehr Kinder in die vorherige Regelung einbezogen waren, weil die Inflation diese Befreiungsregelung ad absurdum geführt hat. Es war ja nicht einmal mehr eine alleinerziehende Mindestbezieherin bei den Einkommensgrenzen anspruchsberechtigt, die es vorher gab. Und gleichzeitig erhöhen Sie die Beiträge für alle anderen jetzt um sage und schreibe 10,5 Prozent. Die Regelung, die Sie heute vorlegen, ist ein Paradebeispiel dafür, wie man am falschen Ort spart. Wer beim Essen für die Kinder spart, wer bei der Betreuung von Kindern spart, hat von der Teuerungskrise nichts verstanden, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Ich möchte jetzt noch einmal in zehn Punkten zusammenfassen, warum wir dieser Neuregelung kritisch gegenüberstehen. Erstens, die Erhöhung der Essens- und Betreuungsbeiträge wirkt inflationstreibend. Zugegeben, es handelt sich um einen vergleichsweise kleinen Beitrag zur Inflationsentwicklung, aber alle WirtschaftsforscherInnen sagen uns und sind sich einig, dass wir inflationsdämpfende Maßnahmen brauchen und dass wir da auch bei den Gebühren ansetzen sollen. Und da frage ich schon, was liegt mehr auf der Hand, als bei den Essens- und Betreuungsbeiträgen für die Kinder mit inflationsdämpfenden Maßnahmen zu beginnen. Das ist doch naheliegend, das muss man doch sehen und da muss man doch jetzt ansetzen, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Denn, und das ist mein zweiter Punkt, die Neuregelung, die Sie vorlegen, verschärft Kinderarmut, denn die vorliegenden Einkommensgrenzen bedeuten für viele Familien mit Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle, dass sie zahlen müssen, und zwar allein im Bereich der Essensbeiträge bis zu 800 EUR im Jahr. Kinder aus armutsgefährdeten Familien sollten aus meiner Sicht von diesen Beiträgen völlig befreit werden, das wäre das Mindeste, aber Sie erhöhen die Beiträge für einen Teil dieser Familien - und die Kollegin Pühringer hat ein Beispiel gezeigt - auch noch um 10,5 Prozent. Das muss einem einmal einfallen. Es ist ganz klar, wer hier spart, spart am falschen Fleck, also ändern wir das im Sinne der Familien in Wien, im Sinne der Kinder. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Denn, drittens, was wird passieren, wenn die Einkommensgrenzen sich nicht ändern und die Preissteigerungen maximal weitergegeben werden? Armutsgefährdete Familien werden sich gezwungen sehen, ihre Kinder nicht in Betreuung zu geben oder sie sogar aus der Betreuung zu nehmen. Es braucht von der Stadtregierung keine Sonntagsreden zur Chancengleichheit im Bildungssystem, es braucht Regelungen, die verhindern, dass Kinder aus armutsgefährdeten Familien durch Essens- und Betreuungsbeiträge aus Betreuungsangeboten gedrängt werden. Und gerade jetzt besteht diese Gefahr in besonderem Ausmaß und gerade jetzt müssen wir das verhindern.

 

Und damit zum Punkt 4: Was passiert, wenn die Kinder aus der Betreuung genommen werden? Die Erwerbsintegration der Eltern wird massiv erschwert, wenn nicht sogar verhindert. Was soll der Anreiz sein, wenn ich als Erwerbstätige oder Erwerbstätiger weniger Geld zur Verfügung habe als als Mindestbezieher? Und das ist mit der Regelung, die Sie heute vorlegen, durchaus möglich. Ein Paar mit einem Kind, das nur 1 EUR mehr an Einkommen als die Mindestsicherung verdient, muss 800 EUR für Essensbeiträge zahlen. Die Regelung, die Sie vorschlagen, bestraft Erwerbstätigkeit. Das kann doch nicht der Plan sein und das muss repariert werden, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Was mich zu Punkt 5 führt. Wir alle diskutieren die ganze Zeit den massiven Arbeitskräftemangel. In dieser Situation setzt man durch diese Regelung, wie Sie sie hier vorlegen, Anreize, keine Beschäftigung aufzunehmen oder das Beschäftigungsausmaß zumindest nicht zu erhöhen, weil der Lohn der Mehrarbeit durch Essensbeiträge und Betreuungsbeiträge gleich wieder deutlich reduziert wird. Das ist das völlig falsche Signal zum völlig falschen Zeitpunkt. Wir müssen es attraktiv machen zu arbeiten, wir müssen es attraktiv machen, Erwerbsarbeit aufzunehmen, und dann dürfen wir keine solchen Signale setzen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Sechstens, die Regelung, die Sie nun vorlegen, wird weiterhin bei den städtischen Einrichtungen und auch bei den privaten Trägern einen hohen Verwaltungsaufwand verursachen. Allein deshalb schon wäre es sinnvoll, einfach wirklich endlich an Gratisessen in den Kinderbetreuungseinrichtungen zu denken, wie wir das im Übrigen schon bei den verschränkten Ganztagsschulen auch gemeinsam beschlossen haben. Dann sparen wir uns den Verwaltungsaufwand, dann können wir sicherstellen, dass jedes Kind in Wien gut versorgt ist. Das muss es uns doch wert sein.

 

Denn, siebtens, auch diese Antragsregelungen bringen ein Problem mit sich, nämlich, dass es zu einer hohen „Non take up“-Rate kommt. Das heißt, wir erreichen viele Menschen mit Leistungen nicht, die eigentlich für sie konzipiert sind. Auch deshalb wäre die Umstellung auf Gratisessen und Gratisbetreuung der bessere Zugang.

 

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