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Gemeinderat, 61. Sitzung vom 29.06.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 110

 

kommen ein paar andere Sachen dazu.

 

Unter anderem - auch das wird hier in Reden der Sozialdemokratie immer dazugesagt -: Arbeit schützt vor Armut. - Da sage ich dazu: Gut bezahlte Arbeit schützt vor Armut! - Wir bringen heute am Abend einen Antrag zur Abstimmung, der sich mit dem Mindestlohn beschäftigt.

 

Die Reallöhne stagnieren seit ungefähr 20 Jahren. Im Wesentlichen schaut es so aus: Die, die unten sind, kriegen immer weniger, und die Löhne derjenigen, die ohnedies oben sind, sind noch gewachsen. Seit 20 Jahren ist es so. Das behaupten ja nicht die GRÜNEN. Sie kennen die Studien hoffentlich auch alle. Wenn Löhne sinken, geht es den Leuten schlechter. Das ist ja keine ganz große, neue Erkenntnis. Rauf mit den unteren Löhnen!

 

Und bei dem, was jetzt immer klingt, wie wenn es ein großer Satz wäre, vergisst man immer leicht, dass diese Löhne seit 20 Jahren gesunken sind. Also wenn man jetzt sagt, der Mindestlohn soll auf 1 500 EUR erhöht werden, dann sagen viele, das ist unfinanzierbar. Hätte man in den letzten 20 Jahren die Lohnsteigerung, die es auch gegeben hat, nicht nur oben reingebuttert, sondern allen gegeben, dann wären wir schon dort. Das würde eine ganze Menge Leute aus der Armutsfalle herausholen, die heute Fulltime arbeiten, aber mit 1 100 EUR brutto eben nicht sehr gut über die Runden kommen.

 

Der Antrag von uns lautet: Nicht in ganz Österreich werden die Löhne erhöht - denn das können wir in Wien nicht beschließen; da können wir höchstens sagen, wir fordern alle, die solche Löhne abschließen, auf, das zu tun; das ist eine Aufforderung -, aber die Gemeinde Wien hat auch selber Beschäftigte, und die Gemeinde Wien kann im eigenen Bereich sagen, wir setzen die Löhne so fest, dass niemand weniger als 1 500 EUR brutto im Monat bekommt. Und das macht einen schönen Unterschied: Wenn Sie 1 100 EUR brutto im Monat haben, haben Sie im Jahr ungefähr 13 000 EUR netto als Jahreseinkommen. Wenn Sie 1 200 EUR haben, haben Sie ein bisschen mehr. Und wenn Sie diese 1 500 EUR haben, die wir vorschlagen, haben Sie ein Jahresgehalt von 16 170 EUR netto. - Da muss man jetzt berücksichtigen, ob man Alleinverdiener ist oder nicht.

 

Das ist ein Unterschied von über 3 000 EUR netto für jemanden, der statt 1 100 EUR 1 500 EUR bekommt. Wenn man dann noch die Lohnsteuerfreiheit berücksichtigt - das rechne ich auch immer gerne vor, weil das sehr viele Leute, die sich nicht mit Lohnsteuertabellen beschäftigen, nicht wissen: Die meisten Leute glauben, das 13. und 14. Gehalt ist immer mehr Geld. Nur stimmt das eben nicht! Wenn sie 1 200 EUR brutto im Monat verdienen - und das sind genug Leute in Österreich -, dann macht das normale Nettogehalt 1 007 EUR aus, das 13. aber nur 995 EUR netto, und das 14. Gehalt 958 EUR netto. Das heißt, sie verdienen gar nicht 14 Mal ihr Nettogehalt, sondern ein bisschen weniger.

 

Wenn man hingegen über 6 000 EUR verdient – diesen Betrag habe ich ausgesucht, weil alle, die hier herinnen auf den 100 Plätzen der Gemeinderäte und Gemeinderätinnen sitzen, ebenso wie auch die amtsführenden und nichtamtsführenden Stadträte und Stadträtinnen, darüber liegen -, dann macht es bei 6 000 EUR brutto 3 500 EUR netto beim zwölften Gehalt aus, aber 4 700 EUR beim 13. und 5 200 EUR beim 14.! - Das ist doch nicht zu verstehen, warum jemand, der schlecht verdient, beim 13. weniger bekommt als bei den ersten 12 Löhnen, aber jemand, der sehr viel verdient, tatsächlich profitiert von dieser Staffelung. Das müsste man auf Bundesebene ändern, das können wir hier nicht ändern.

 

Der Antrag, den wir aber heute einbringen, ist darauf gerichtet, die Löhne in Wien - dort, wo man das hier beschließen kann und wo Sie zuständig sind beziehungsweise dieses Haus am Ende zuständig ist - auf 1 500 EUR zu erhöhen.

 

Ja, das muss man gegenfinanzieren, und das Modell ist relativ einfach: Schluss mit den Luxusgehältern und Schluss mit den Steigerungen bei den sehr guten Gehältern! Das wären dann die, die hier sitzen. Jetzt meine ich nicht alle Magistratsangestellten, sondern jetzt meine ich in erster Linie die Leute, die hier einen Sitzplatz haben, so wie ich. Dort darf es eben in den nächsten Jahren dann keine Erhöhung geben. Am liebsten wäre mir aber, wir würden vorrechnen: Was kostet das genau? Was bedeutet das an Einschränkungen? Wie viel von den Löhnen über 15 000 EUR muss man auf 15 000 EUR einkürzen, zum Beispiel? - Alles Anträge, die hier schon eingebracht worden sind. Und eigentlich würde es einer Sozialdemokratie gut anstehen, für einen Höchstlohn von 15 000 EUR einzutreten. Wenn man das draußen sagt, glauben die Leute ohnedies, man ist verrückt. Wenn ich das vorschlage - einen Mindestlohn von 1 500 EUR und einen Höchstlohn von 15 000 EUR -, dann sagen die Leute: Was, du bist wirklich dafür, dass jemand 15 000 EUR verdient?! - Tatsache ist, dass diese Anträge in diesem Haus keine Mehrheit haben, weil wir offensichtlich der Meinung sind, das ist zu wenig, man findet damit für verschiedene Tätigkeiten keine guten Leute, die das machen.

 

Egal, der Antrag heute beschäftigt sich nicht mit den Höchstlöhnen, sondern mit den Mindestlöhnen. Zahlen Sie Ihren eigenen Leuten 1 500 EUR brutto, dann sind zumindest keine Menschen mehr, die bei der Gemeinde angestellt sind, unter den Working Poor. Denn das halte ich tatsächlich für unzumutbar: dass jemand, der sich den ganzen Monat abmüht, am Ende zu wenig hat.

 

Kommen wir am Schluss noch zu einem Thema, das wir in den letzten Monaten hier auch schon des Öfteren besprochen haben: Wer zahlt denn am meisten drauf, wenn Mama und Papa zu wenig Geld nach Hause bringen? - Die Kinder!

 

Und damit der Antrag auch eine Chance auf eine Mehrheit hat, ist der heute vorliegende Antrag zur Halbierung der Kinderarmut entsprechend abgefasst: Da ist keine Zahl drinnen, über die Sie sich aufregen können, da ist keine Polemik drinnen, sondern da gibt es eigentlich nur das: Gibt es arme Kinder in Wien? - Leider ja. Sind es sehr viele? – Ja. Sagen Ihre eigenen Studien nicht auch, dass ungefähr 30 Prozent der Kinder in Haushalten leben, in denen Sozialhilfe notwendig ist, damit man über die Runden kommt? - Sicher sagen das

 

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