«  1  »

 

Gemeinderat, 61. Sitzung vom 29.06.2010, Wörtliches Protokoll  -  Seite 26 von 110

 

„Aus pädagogischen Gründen hat jedes Kind mindestens vier Wochen pro Betriebsjahr Urlaub vom Kindergarten zu nehmen, wobei jeweils ganze Wochen entweder einzeln oder zusammenhängend genommen werden müssen. Fehlzeiten durch Krankheit des Kindes gelten nicht als in Anspruch genommener Urlaub.“

 

Meine Damen und Herren, diese Regelung ist ja schon alt, machte durchaus Sinn, überhaupt keine Frage. Sie entspricht aber nicht mehr dem Trend der Zeit. Diese Regelung entspricht nicht mehr der gesellschaftlichen Situation heute in Wien und überhaupt bei uns. Sie entspricht nicht der Realität von Urlaubsplanung, Freizeitplanung, Freizeitgestaltung von Familien oder AlleinerzieherInnen. Sie entspricht nicht mehr der wirtschaftlichen Situation vor allem der kleineren Betriebe, wo man ja im besten Fall in Folge 14 Tage, aber kaum mehr 3 bis 4 Wochen Urlaub nehmen kann. Und sie dient überhaupt nicht mehr und ist nicht mehr im Sinne der vermehrten Alleinerzieherinnen oder Alleinerzieher.

 

Als Beispiel möchte ich den Kindergarten in Alt-Erlaa hernehmen und zwar ein persönliches Erlebnis, nicht weil dort meine Tochter war, es waren alle meine Kinder dort, alle meine Enkelkinder. Aber das, was heute in der Früh sich dort, sagen wir einmal, ein wenig emotional abgespielt hat, hat mich dazu bewogen. Noch einmal, nicht weil es das Kind ist, sondern weil ich höre, dass es allgemein ein Problem geben wird oder geben könnte, daher die Bitte um eine Diskussion in diese Richtung. Dieser Mutter wurde von der Kindergartenleiterin gesagt, sie solle endlich die Urlaube für ihr Kind aus pädagogischen Gründen nehmen. Man muss dazu sagen, sie ist Alleinerzieherin, sie arbeitet und sie studiert. Der Tipp der Kindergartenleiterin war, sie möge ihr Studium einmal für zwei Semester unterbrechen, damit sie mehr mit ihrem Kind sein kann. Es kann nicht Aufgabe der Kindergartenleiterin sein, den Eltern oder den Alleinerziehern einen Tipp zu geben, wie sie ihr Kind erziehen, was Sie mit ihrem Kind tun, wie sie ihre Urlaubsplanung haben. Das ist nicht mehr möglich. Ich erlebe das tagtäglich mit.

 

Die Anregung wäre, insbesondere was die ganzen Wochen betrifft: Es gibt heute eine Unzahl von Berufen, wo es gar nicht mehr möglich ist, von Samstag bis Samstag, von Sonntag bis Sonntag, Montag bis Samstag auf Urlaub zu gehen. Viele Leute gestalten ihren Urlaub kurzfristig von Mittwoch bis Mittwoch. Viele Leute nehmen Urlaubstage an Fenstertagen. Die fahren am Mittwoch am Abend weg, wenn am Freitag ein Fenstertag ist, und kommen am Sonntag zurück. Auch das ist Urlaub. Auch das ist ja ein Zusammensein mit einem Kind. Es heißt ja nicht, wenn ich jetzt eine ganze Woche Urlaub nehme, dass das die bessere Pädagogik mit meinem Kind ist, als wenn ich im Jahr vier, fünf Mal ein Wochenende, vier, fünf Mal meinetwegen vier, fünf Tage verbringe. Das kann mit dem Kind intensiver sein als wenn ich eine Woche hintereinander einfach nehmen muss. Es gilt nur im Kindergarten, das wurde heute so gesagt, von Montag bis Freitag, von Mittwoch bis Mittwoch gilt das nicht als zusammenhängende Woche.

 

Bitte, da ersuche ich wirklich freundlich, einmal nachzudenken, ob das denn noch unserem Zeittrend entspricht. Das kann nicht sein.

 

Jetzt das Nächste. Meine Tochter - und ich kenne das von vielen, weil ich das ganze Umfeld meiner Familie kenne, die gehen auch alle dort in den Kindergarten, das wird in anderen ähnlich sein – hat seit Weihnachten 12 Tage Urlaub nehmen müssen, weil der Kindergarten gar nicht offen war. Die hat überhaupt nicht mehr vier Wochen zusammenhängenden Urlaub, die hat überhaupt keine 14 Tage mehr. Ich werde Ihnen sagen, wann das war, gilt aber nicht als Urlaub: Weihnachten bis Neujahr, gilt nicht als Urlaub, sie musste sich aber frei nehmen am 23.12., 28.12., 29.12., 30.12., 31.12.. 1.1. war ein Feiertag, 2.1.,ein Samstag, Sonntag, und Montag ist er wieder offen gewesen. Sie musste sich am Pfingstdienstag, weil es dort offensichtlich so gestaltet ist wie die Schulzeiten, einen Urlaubstag nehmen. Donnerstag, 1.4., Freitag, 2.4., Dienstag, 6.4., zu Ostern musste sie Urlaubstage nehmen, weil der Kindergarten ebenfalls leider zu war. Nächste Woche 5., 6., 7. Juli sind die Schließtage, pädagogisch, außerdem gibt es die Generalreinigung. Sie muss sich Urlaub nehmen. Jeder hat nicht einen Opa, jeder hat nicht eine Oma, es hat nicht jeder Verwandte. Es ist wirklich unmöglich, dann zu sagen, sie muss unbedingt vier Wochen und zusammenhängend eine oder zwei oder drei oder vier nehmen. Das ersuche ich bitte zu überdenken. Das ist ein Eingriff in die personelle Planung der Freizeit, des Lebens, das ist ein Einschreiten, meiner Ansicht nach, in die Privatsphäre. Urlaub muss sein. Das Kind soll Urlaub nehmen, gar keine Frage, soll mit dem Alleinzieher, mit der Mama, mit dem Papa, mit der Familie, was auch immer, Zeit verbringen, das ist sinnvoll. Aber die Regelung „müssen“, wie es hier drinnen steht, bitte ich wirklich zu überdenken, meine Damen und Herren. Und vor allem der Hinweis, man soll das Studium unterbrechen, damit man mehr mit dem Kind zusammen ist, das finde ich eigentlich, also mir fehlen eigentlich die Worte. Das kann ja nicht wahr sein, dass eine Kindergartenleiterin das einer Mutter, noch dazu, wo sie weiß wie die Situation ist, ins Gesicht sagt. Das kann ich mir nicht vorstellen. Deswegen habe ich mich gemeldet, Herr Stadtrat. Ich ersuche, das wirklich hier zu überdenken. Wir sind heute anders im Urlaub. Die Fenstertage zählen nicht als Urlaub. Wenn ich nur drei Tage nehme, zählt das nicht als Urlaub. Und zu Weihnachten, und das verstehe ich überhaupt nicht, wenn der Kindergarten insgesamt 12 Tage zu ist, zählt das auch nicht als Urlaub. Die Osterwoche zählt nicht als Urlaub, auch wenn ich nur drei Tage nehme. Das gehört dazu. Ich bin der Meinung, es ist sinnvoll, vier Wochen aufgeteilt durchaus akzeptiert, aber nicht in einer Muss-Form der Familie, der alleinerziehenden Mutter, dem alleinerziehenden Vater vorzuschreiben, wann er in den Urlaub zu gehen hat, das glaube ich nicht. Es ist nicht mehr vollziehbar. Es ist vielleicht noch in einer aufrechten Zweierbeziehung vollziehbar, durchaus möglich. Es ist aber nicht mehr so vollziehbar im gesellschaftlichen Trend, ob man es mag oder nicht, in Form von Alleinerziehern und Alleinerzieherinnen. Daher bitte ich wirklich um eine Diskussion und um Überlegung, ob man diesen Punkt der Geschäftsordnung nicht der

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular