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Gemeinderat, 45. Sitzung vom 26.03.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 44 von 106

 

Jahren gelöst werden müssen.

 

Die GRÜNEN sprechen immer wieder über Kinder mit Migrationshintergrund. In diesem Punkt ist es meiner Meinung nach die große Aufgabe dieser Stadt, dass in den Köpfen der Menschen nicht immer weiter das Bild davon existiert, dass die Kinder mit Migrationshintergrund ein Problem sind. Diese Kinder und auch ihre Eltern können nicht jahrzehntelang als Probleme durch die Stadt wandeln, sondern sie müssen ganz klar den Eindruck gewinnen und mitnehmen, dass sie hier erwünscht und gewollt sind, dass sie respektiert und angenommen werden.

 

Diese Menschen sind kein Problem, sondern sie haben ein Problem. Sie haben ein Problem, weil sie in vielen Punkten benachteiligt werden. Deswegen möchte ich auch diese Punkte, an denen man so genau sieht, dass diese Kinder benachteiligt sind, ein bisschen aufzählen, damit deutlicher wird, worum es eigentlich geht.

 

In einer sozioökonomisch benachteiligten Familie aufzuwachsen, bedeutet, dass man in einer Familie aufwächst, die wenig Geld hat und wo auch oft wenig Bildung bei den Eltern vorhanden ist. Das allein ist schon eine große Benachteiligung. Wenn aber dazu noch kommt, dass man auch die Sprache des Landes nicht gut kann oder dass vielleicht die Kultur als eine als fremd empfundene dasteht, dann kommt eben noch ein Problem dazu.

 

Aufgabe der Stadt und unser aller Aufgabe ist es, für diese Kinder dafür zu sorgen, dass die Probleme weniger werden und dass ganz klar wird, dass nicht sie das Problem sind, sondern dass das Kindergartensystem und das Schulsystem, also das Bildungssystem das Problem darstellt und dass sich daher das Bildungssystem ändern muss. Das Bildungssystem muss sich an die Kinder anpassen und nicht umgekehrt, denn umgekehrt kann es nicht funktionieren.

 

Was wir für diese Kinder brauchen, ist erstens, dass sie schon in sehr jungen Jahren - wenn sie drei oder vier Jahre alt sind - in den Kindergarten kommen, dort mit anderen Kindern gemeinsam lernen können und nicht, wie es jetzt der Fall ist, ein Einjahres-Kindergarten dann darin mündet, dass Vorschulklassen gebildet werden, in denen ausschließlich Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien sitzen. Das ist schlecht, und zwar unabhängig davon, ob wirklich alle einen Migrationshintergrund haben oder nicht, und das soll nicht sein.

 

Daher lautet der Vorschlag, gerichtet an den designierten Stadtrat Oxonitsch: Schaffen wir dieses Fördermodell Eins-plus-eins und diese Vorschulklasse so rasch wie möglich wieder ab, und sorgen wir dafür, dass alle Kinder mit drei Jahren in einen Kindergarten kommen und diese Förderung auf integrative Art und Weise über die Bühne geht. (Beifall bei den GRÜNEN.) Ich füge für die GRÜNEN hinzu, das sollte ein Leitsatz dieser Stadt sein. Alle Fördermaßnahmen müssen integrativ ablaufen und sollen nicht über Aussonderung passieren, denn Aussonderung tut nicht gut.

 

Wir haben eine große Chance über diese Kinder. Ich bin nicht nur dafür, dass man davon abgeht, sie als Problem zu betrachten, sondern ich bin auch dafür, dass man ab sofort die Chance, die darin besteht, dass so viele Kinder aus so vielen verschiedenen Ländern und aus so vielen verschiedenen Kulturen kommen, die sie mitbringen, dass man diese Chance der Multikulturalität in den Schulen besser nutzt, als das jetzt der Fall ist.

 

Meine ganze Hochachtung gilt jenen Lehrerinnen und Lehrern etwa im 15. oder auch 16. Bezirk, denen es bereits jetzt gelingt, alles das aufzugreifen, was da von den Kindern kommt, und denen es bereits jetzt gelingt, da einen Austausch stattfinden zu lassen. Da wird einiges ganz großartig gemacht! Das sollte man nehmen, ausbauen, unterstützen und zum Leitbild dieser Stadt machen. Das wäre eines unserer ganz, ganz großen Anliegen.

 

Was diese Kinder brauchen und was alle Kinder brauchen - denn schlussendlich sind sie einfach immer alle Kinder -, ist ein gut ausgebautes Kindergartensystem für alle ab zumindest drei Jahren und danach ein ganztägiges Schulsystem. Auch das möchte ich ein bisschen näher begründen.

 

Für Kinder, deren Eltern kein Geld haben, und für Kinder, deren Eltern über wenig Bildung verfügen, ist es nicht möglich, auf ein Nachhilfesystem, das viel Geld kostet, zurückzugreifen. Es ist diesen Eltern auch nicht möglich, diese Nachhilfe selbst zu leisten, weil sie es nicht können. Diese Benachteiligung kann nur dadurch abgebaut werden, dass ein ganztätiges Schulsystem einspringt, weil die Kinder dort alles lernen, was sie brauchen, weil sie alles üben, was sie brauchen, weil sie dort die Hausübung machen mit Lehrerinnen und Lehrern, die von ihrer Sache etwas verstehen, und weil man eben nicht darauf angewiesen ist, dass die Eltern Geld haben, und weil man nicht darauf angewiesen ist, dass die Eltern diese Nachhilfe selbst leisten können.

 

Das heißt - und das ist der zweite große Vorschlag der GRÜNEN -: Umbau des Schulsystems, das nur am Vormittag tätig ist, in ein ganztägiges Schulsystem, wo alle Kinder und ganz besonders jene, die aus sozioökonomisch benachteiligten Familien sind, einen Platz bekommen. Es darf nicht sein, dass ausgerechnet die Kinder, die zum Beispiel aus türkischen Familien stammen, wo die Mutter zu Hause ist, abgewiesen werden und keinen ganztägigen Platz bekommen, und zwar mit dem Hinweis: Die Mutter ist ohnehin am Nachmittag zu Hause und kann sich um das Kind kümmern. Sie kann eben nicht! Ja, sie kann anwesend sein, sie kann freundlich sein, sie kann spielen, sie kann Mutter sein, sie kann alles ganz, ganz toll, aber sie kann nicht jene Lernförderung leisten, die diese Kinder brauchen.

 

Denn wir wollen - und jetzt kommt das Nächste, was die GRÜNEN wollen -, dass die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen zu einem Abschluss der Sekundarstufe II, sprich, Matura kommt. Es können sicher auch in Wien zumindest 80 Prozent der Jugendlichen zu einer Matura geführt werden, wenn man das politisch will und wenn man die dafür notwendigen Strukturen, Lehrerinnen, Lehrer und Rahmenbedingungen zur Verfügung stellt.

 

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