Gemeinderat,
39. Sitzung vom 24.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 130
die europäische -, und wenn sie pleite gehen, bleiben die Städte zahlungspflichtig. Da wird auf Wien unter Umständen einiges zukommen. Die Steuergesetze sind ja da geändert worden und wir werden sehen, welche Probleme das noch mit sich bringt.
Des Weiteren ist festzustellen, dass die Rechte und
Pflichten von Leasing-Nehmern natürlich vor amerikanischen Rechtsinstituten
halten müssen und wir haben ja jetzt im Rahmen der Wirtschaftskrise bereits
größte Probleme. Die AIG-Versicherung ist in größte Schwierigkeiten gekommen
und musste von der Regierung der Vereinigten Staaten gerettet werden und
Freddie Mac und andere sind ebenso in Schwierigkeiten gekommen. Es dürfte
zumindest mit der AIG eine Geschäftsbindung in Wien bestehen und da dürfte ein
Schadensverlauf von bis zu 50 Millionen Dollar möglich sein. Ein Dr
Werner Rüge von der Universität Köln hat zu den öffentlichen Märchenvisionen
von Cross Border Leasing Folgendes festgestellt: Die Städte verkaufen seit
30 Jahren ihre Infrastruktur an US-amerikanische Investoren und mieten die
Anlagen zurück. Die Investoren bekommen dafür ihre entsprechenden
Steuervorteile und die teilen sie mit den Städten in Europa. Dieser so genannte
Barwertvorteil, das sei das Geschäft. Das sei die Sache, wie sie gelaufen wäre,
und so sei es gewesen.
So wurde es uns auch vor Jahren schon in den diversen
Finanzausschüssen, damals noch unter VBgm Rieder, erzählt und das Geschäft
wurde als völlig problemlos dargestellt. Mit der Auszahlung des Barwertvorteils
sei angeblich für Wien die gesamte Situation im Griff und könnte keine Folgen
haben. In Wirklichkeit handelt es sich bei Cross Border Leasing um eine
hochkomplizierte, strukturierte Finanzierungsform, die von ganzen Anwaltskanzleien
ausgearbeitet werden und wo die europäischen Partner, Juristen, Kommunen im
Grunde genommen bestenfalls mitlaufen können. Weiters gibt’s in diesen
Verträgen offensichtlich auch strafbewertete Geheimhaltungsklauseln. Es wäre
interessant zu wissen, ob solche Geheimhaltungsklauseln auch für Wien gelten.
Das wäre etwas, was natürlich deswegen von großem Interesse wäre, weil sich
eine Informationspflicht gegenüber den gewählten Gemeindeorganen ergibt. Die
AIG-Versicherung, aber nicht nur sie, ist, wie gesagt, in Schwierigkeiten
geraten, wurde gerettet und ist schon wieder in Schwierigkeiten. Wir werden
sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Eine Veräußerung des Wirtschaftsgutes,
also wenn Wien auf die Idee käme, eine solche Anlage, die Gegenstand von Leasing
ist, zu veräußern, wird gar nicht so leicht gehen, weil man schlicht und
einfach hier nicht frei handeln kann. Und kein Mensch weiß, wie die
Entwicklungen in den nächsten 30 Jahren vor sich gehen werden.
Ebenso dürften laut Rechnungshof alle steuerlichen
Fragen, die damit in Zusammenhang stehen, völlig ungeklärt sein. Es dürfte,
zumindest laut Rechnungshof, noch kein Vertrag den Finanzbehörden auch nur
vorgelegt worden sein. Dass durch Cross-Border-Leasing-Geschäfte die
Einflussnahme der gewählten Organe, Gemeinderat, Stadtrat et cetera, praktisch
verhindert wird und keine wirkliche Entscheidungsmöglichkeit mehr vorhanden
ist, ist auch klar. Ausstiegskosten sind ja so eine Frage. Die GRÜNEN haben
einen entsprechenden Antrag gestellt. Ich glaube, zur Zeit ist das ein sehr,
sehr schlechtes Geschäft. Es ist davon auszugehen, dass bis zum Fünffachen des
Barwertes dieses Betrages, den wir bekommen haben, der Ausstieg möglich wäre.
Das ist wahnsinnig viel. Es wäre schlecht, wenn so etwas notwendig wäre. Man kann
es aber, wenn Schlimmeres droht, natürlich nicht ausschließen.
Interessant ist nämlich Folgendes: Wir haben unsere
Wiener Verträge. Aber darüber hinaus gibt es auch den Verbund, wo die Stadt
Wien mit 10 Prozent, glaube ich, beteiligt ist. Und dieser Verbund hat nun
sämtliche acht Kraftwerke, die er hat, ebenfalls einem Cross Border Leasing
unterzogen. Damit steht Wien für den Fall, dass es dort, und das ist zu
erwarten, die gleichen Probleme gibt wie hier bei uns in Wien, natürlich auch
hier mit Schwierigkeiten, in der Kreide. Wir haben also neben diesen
Gegebenheiten festzustellen, dass nach Ausgliederung der diversen städtischen
Einrichtungen ohne Kenntnis, zumindest ohne Mitteilung an den Gemeinderat oder
den Stadtsenat, weitere Cross-Border-Leasing-Einheiten abgeschlossen wurden,
wiederum betreffend Wiener Linien zwei Mal mit relativ hohen Beträgen. Das
heißt also, man sieht, welche Schwierigkeiten die Ausgliederung mit sich
bringt. Die gewählten Organe lässt man dumm sterben und man hat eigentlich keine
Möglichkeit, hier in irgendeiner Form mitzuwirken.
Ich möchte Ihnen abschließend noch
ein paar Zeitungszitate aus Deutschland bringen, wo offensichtlich in der
Zwischenzeit die Debatte eine viel weitergehende ist als bei uns. Da wird vom
Institut der deutschen Wirtschaft in Köln festgestellt: „Die Krise kann sich
auf alle CBL-Geschäfte auswirken. Bestehende Sicherheiten nützen nichts, wenn
der Bürgende insolvent wird. Welche Summen auf die Städte zukommen, kann heute
niemand abschätzen. Mit Verweis auf ihre Schweigepflicht äußern sich nur wenige
Städte zu den Risken.“ Der Hof- und Stadtkämmerer räumt aber ein: „Das Rating
unserer Vertragsfirmen wurde herabgesetzt. Wir müssen innerhalb von
90 Tagen zusätzliche Sicherheiten stellen.“ Wie teuer das wird, weiß er
nicht. Es ist nochmals die Frage, auch von mir: Gibt es Schweigeverpflichtungen
auch seitens Wiens? Ähnliche Sorgen plagen den Bürgermeister von
Recklinghausen, der auch bei der AIG versichert ist und hier weitestgehende
Probleme zu erwarten hat. Warum nenne ich diese Städte? Es ist ganz
interessant, der Konzern AIG ist im Rating herabgestuft worden und deswegen
muss sich die Stadt Bochum entweder einen neuen Partner suchen oder sie muss
den Vertrag massiv aufdoppeln. Das Downrating hat in den Städten – das kennen
wir von Bochum – stattgefunden. Die Städte Gelsenkirchen, Recklinghausen und
Wuppertal, die Cross-Border-Geschäfte abgeschlossen haben, sind hier im engen
Kontakt. Das macht Sinn, diese vier Städte zusammen ihre Interessen vertreten
zu lassen. Und jetzt kommt’s! „Wir haben gerade deshalb erst drei
internationale Telefonkonferenzen geführt“,
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