Gemeinderat,
30. Sitzung vom 24.01.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 80 von 95
im Pflegeheim an Sibirien erinnert, wo er in Kriegsgefangenschaft war. Dieselbe Kälte, die dieser alte Mann in Sibirien verspürt hat, verspürt er nun, und er versucht, gegen diese Kälte anzukämpfen, um wenigstens in Würde zu sterben. In einer Passage dieses Stückes berichtet dieser Mann von dem verzweifelten Versuch, Veränderungen an den Zuständen herbeizuführen. Er schrieb einen Brief an den Bundespräsidenten und beschreibt die Vorgänge folgendermaßen: Die Heiminsassen werden ans Bett geschnallt, ins Netzbett gesperrt, der Menschwürde beraubt. Akuter Personalmangel, daraus resultierend mangelnde Pflege - ein SOS-Ruf!
Diese SOS-Rufe kamen auch aus dem Otto-Wagner-Spital,
aber die Verantwortlichen haben sie nicht wahrgenommen, nämlich Sie, Frau
Stadträtin, aber auch Ihre VorgängerInnen. Ich möchte gar nicht sagen, nur Sie
allein sind verantwortlich, das ist ja etwas, was nicht erst gestern
aufgebrochen ist, sondern schon seit Langem. Sie sind verantwortlich, Sie haben
aber diese Verantwortung nicht wahrgenommen. Jetzt sollten Sie sie richtig
wahrnehmen und nicht beschönigen, sondern sagen: Ja, da sind Fehler passiert,
aber wir gehen es an, wir handeln und wir ändern es. (Beifall bei der ÖVP.)
Aber, meine Damen und Herren, es passiert genau das
Gegenteil! Denn wie sonst kann es sein, Frau Stadträtin, dass Generaldirektor
Marhold Menschen diffamieren kann und Sie es kommentarlos zulassen? Jener
Vater, der sich gegenüber den Medien nicht anonym - er hat den Namen genannt -
zur Behandlung seines Sohnes im Otto-Wagner-Spital äußerte, wurde vom KAV als
psychiatrisch krank dargestellt. Diese Behauptung stellt sich zwar später als
falsch heraus, das zeigt aber, dass der KAV bereit ist - das muss man sich
vorstellen! -, heikle medizinische Daten einfach an die Öffentlichkeit zu geben
beziehungsweise jemanden zu verleumden, um die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe
herabzusetzen.
Anlässlich der Sondersitzung - darauf wurde bereits von
Frau Dr Pilz hingewiesen - wurde ein Schreiben einer Personalvertreterin des
Mittelbaus verlesen, in dem die Probleme aufgezeigt wurden. Anstatt zu den
Vorwürfen Stellung zu nehmen, hat die Leiterin des Otto-Wagner-Spitals gesagt:
Ja, diese Personalvertreterin ist überfordert. (GRin Dr Sigrid Pilz: Genau! Unfassbar!) Es wurde nicht auf die
Vorwürfe eingegangen, nein, sondern es wurde einfach festgestellt: Diese
Personalvertreterin, eine junge Kollegin, sei überfordert. (GRin Dr Sigrid Pilz: Fachlich überfordert!)
Frau Stadträtin! Der KAV hat auch den Medien, die
berichtet haben, gerichtliche Schritte angedroht. Herr Generaldirektor Marhold
- interessanterweise ist er nicht mehr hier - hat einem kritischen Journalisten
den intellektuellen Schliff abgesprochen.
Sie, Frau Stadträtin, haben sich in einem Interview
im „Standard" beschwert, dass Missstände anonym aufgezeigt werden. (Amtsf
StRin Mag Sonja Wehsely: Beschwert? Wo ist das gewesen?) Ich habe es da,
bitte. (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Lesen Sie mir die Beschwerde vor!)
Sie haben sich beschwert, dass Missstände anonym aufgezeigt werden und dass die
Leute keine Zivilcourage haben. Bitte: „Da mangelt es schon an
Zivilcourage". (Amtsf StRin Mag Sonja Wehsely: Ich würde sagen, lesen
Sie es vor! Bleiben wir bei der Wahrheit!) „Da mangelt es an
Zivilcourage." (GR Dipl-Ing Omar Al-Rawi: Lesen Sie es endlich vor!)
Dass diese Zivilcourage bei den Menschen fehlt, ist
kein Wunder bei dem Verhalten, das Sie zeigen! (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn man die Menschen diffamiert, wenn man sie unter Druck setzt - ich brauche
nur auf das letzte Beispiel von Frau Dr Pilz zu verweisen, dass man dann
„in Rauch aufgeht" -, wenn man solche Äußerungen tut und wenn man
öffentlich den Medien androht, gerichtliche Schritte zu unternehmen, nur weil
man nicht schönredet und weil man Fakten aufzeigt, dann, muss ich Ihnen sagen,
wundert es mich nicht, wenn die Menschen sagen: Ich mache das anonym, weil ich
Repressalien zu erwarten habe. Das ist traurig in dieser Stadt!
Das ist auch kein Wunder bei Patientinnen und
Patienten, gerade bei OP-Zeiten - das haben Sie auch massiv kritisiert, indem
Sie gemeint haben: warum sind die Leute anonym, die sollen sich melden! -, das
ist kein Wunder, dass sie sich nur anonym beschweren. Ändern Sie hier Ihr
Verhalten, Frau Stadträtin! (Beifall bei der ÖVP.) Aber nicht nur Sie,
sondern überhaupt die ganze sozialistische Fraktion! Denn nur unter dem Druck
der Opposition und damit auch unter dem Druck der Medien, nur dann, wenn dieser
zu groß wird, sind Sie überhaupt bereit, etwas zu tun. Dann kommt
Sicherheitspersonal - am 28. ist es noch in Abrede gestellt worden -, dann
kommt Pflegepersonal. Was Sie heute so positiv hinstellen, war am 28.12. noch
anders. Einzig und allein die Ärzte sind bereits genannt worden.
Frau Stadträtin! Das alles reicht aber nicht, wir
brauchen mehr. Wir brauchen wirklich ein umfassendes Psychiatriekonzept. Sie
haben aufgezeigt: Ja, im Franz-Josef-Spital ist es, im SMZ-Ost. Aber es muss
sehr rasch auch Weiteres erfolgen.
Sie kommen immer mit dem Krankenhaus Nord. Wissen
Sie, das ist für uns so ein Phantomkrankenhaus. Zuerst haben wir etwas von 2011
gehört, jetzt hören wir schon von 2013, 2014. Sie müssen immer daran denken, da
gibt es Menschen, die krank sind, die Hilfe brauchen und die nicht warten
können, bis irgendwann ein Krankenhaus eröffnet wird. Handeln Sie rasch, es ist
notwendig! (GR Kurt Wagner: Sie werden eh behandelt! Glauben Sie, die
Jeannie macht „Zack!", dann steht ein neues Spital dort? Wollen Sie behaupten,
die Leute ...?)
Herr Kollege Wagner! Ihre Fraktion trägt seit
90 Jahren die Verantwortung in dieser Stadt. (GR Kurt Wagner: Gott sei
Dank!) Da ist es traurig, dass wir heute solche Situationen haben. (Beifall
bei der ÖVP und von GRin Dr Sigrid Pilz. - Zwischenruf von GR Kurt Wagner.)
Aber wir haben ein Prüfersuchen an
das Kontrollamt gerichtet. Es werden - davon bin ich überzeugt - alle Fakten
auf den Tisch gelegt, das wird genau überprüft werden. Wir werden hier sicher
nicht die letzte Diskussion geführt haben. Frau Stadträtin, ich meine, diese
Kontrollamtsprüfung sollte durchaus auch in Ihrem Interesse sein. Da sollen
alle Missstände geklärt und die
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