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Gemeinderat, 16. Sitzung vom 15.12.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 113 von 129

 

und Herren! Herr Vorsitzender!

 

Unter Punkt 12 war am Nikolaustag doch eine recht lebhafte Debatte, die sich im Wesentlichen um die Frage der Integration gedreht hat. Die Frau Kollegin Yilmaz hat hier einige Bemerkungen gemacht, auf die ich doch noch eingehen will, und zwar dahin gehend – ganz kurz nur –, dass sie von der Freiwilligkeit der SPÖ als Ziel bei den Maßnahmen gesprochen hat. Ich habe nicht den Eindruck, dass alle in der SPÖ dieser Meinung sind. Wenn ich mir anschaue, was der Chef der österreichischen Sozialdemokraten, Gusenbauer, so von sich gibt, dass nämlich Deutschkenntnisse und Integrationswille für die Aufenthaltsverfestigung zwingend sind – ich will da nicht weiß Gott wie viel vorlesen, aber das muss man wohl noch sagen – und des Weiteren, dass Zuwanderung ein Privileg und kein Recht ist und dass, wer in Österreich leben will, die Sprache beherrschen muss, unsere Werte, gleiche Bürgerrechte und Frauenrechte kennen und akzeptieren muss, so habe ich nicht den Eindruck, dass die Meinung der Frau Yilmaz sich mit der des Bundesvorsitzenden der SPÖ deckt. Der Mangel an Integration, der von der Frau Yilmaz auf schlechte Wohnverhältnisse, auf Schulen, auf Armut zurückgeführt wird, was sicher auch stimmt, lässt aber ganz den Gedanken der Eigenleistung aus, und ich glaube, nicht nur wir, sondern eben auch der Bundesvorsitzende der Sozialdemokraten sieht in dieser Integration auch eine Leistung der Einwanderer, sprich eine Bringschuld. Ich würde meinen, dass das die Sozialdemokraten hier in Wien nicht ganz vergessen sollten.

 

Die Frau Kollegin Yilmaz hat festgestellt, dass es in Wien keine Ghettobildung gibt, was grundsätzlich von der Sache her im Großen und Ganzen stimmt, allerdings sind wir in Ansätzen gerade dabei, diesen Weg zu beschreiten. Ich melde mich heute zu dem, wozu die Frau Kollegin Ekici auch ganz kurz das Wort in die Richtung ergriffen hat, nämlich dass in der Presse eine leicht alarmierende Studie diskutiert und besprochen wurde, eine Studie, die sich mit der Ghettotendenz im Gemeindebau befasst hat. Darin wird festgestellt – Auftraggeber ist übrigens StR Faymann und der Bereich Wohnen –, dass sich die Situation im Gemeindebau verschärft, die Mittelschicht wandert aus den Gemeindebaubezirken ab.

 

Ich werde das kürzen und nur die harten Fakten vorlesen: Im Durchschnitt besitzen Gemeindebaubewohner 30 Prozent weniger Kaufkraft als ein durchschnittlicher Wiener, und die Tendenz ist sinkend. Der Gemeindebau droht zu einem sozialen Brennpunkt zu werden mit allen Problemen, die im Fahrwasser dieser Entwicklung stehen. Heinz Fassmann von der Universität Wien sagt, es gibt ganz klar die Tendenz der einheimischen Mittelschicht, in andere Bezirke und ins Wiener Umland zu gehen. Flucht der Mittelschicht also. In Amerika kennen wir das auch als „white flight", das heißt, die Flucht der weißen Mittelschicht aus US-Stadtteilen, die sozial absinken, bis sie zum Ghetto werden. Folgen: Konzentration der Arbeitslosigkeit und soziale Deklassierung. In diesem Klima, sagt Fassmann, fehlt die soziale Kontrolle, das Verständnis dafür, was falsch ist, und eine Subkultur kristallisiert sich heraus. In Europa waren die Folgen dieses Phänomens in den Pariser Vorstädten zu sehen.

 

Ich will das jetzt nicht im Einzelnen zitieren und daraus vorlesen, aber auf alle Fälle gibt es eine Reihe von Studien und auch Meinungsäußerungen von Sozialdemokraten, die sehr wohl wissen, dass sich der Weg in diese Richtung bewegt. StR Faymann sagt zwar jetzt im Winter 2006, die Ghettotendenzen, vor denen die Experten warnen, sind für ihn, Faymann, nicht nachzuvollziehen, ich darf aber doch feststellen, dass er noch im Jahr 2005 nach einer anderen Studie selbst in der „Presse" vom 10.11.2005 über die Gefahr der Ghettoisierung gesprochen und vor ihr gewarnt hat, dass sehr wohl in ganzen Stadtteilen ... (GR Christian Oxonitsch: Wir reden über Büroräumlichkeiten!) Ich erlaube mir, diesen Punkt auch heranzuziehen. Das ist eine Frage, die in Wien ganz wichtig ist (GR Christian Oxonitsch: Das macht man sich vorher aus!) und wo ich feststellen möchte, dass eben nicht nur innerhalb der Gemeindebauten, sondern auch innerhalb ganzer Stadtteile diese Tendenz offensichtlich gegeben ist, Herr Kollege. (GR Christian Oxonitsch: Aber jetzt reden wir über Büroräumlichkeiten! Das ist schon ein bestimmter Anlass! Das sind Büroräumlichkeiten!)

 

Wir haben alle möglichen Feststellungen von sozialdemokratischen Politikern. So etwa hat der ehemalige Stadtrat und jetzige EU-Abgeordnete Swoboda vor der Eins-zu-eins-Übernahme von EU-Richtlinien gewarnt. In Wien hat es die Sozialdemokratie trotzdem gemacht. Die Zustände im Gemeindebau sind als solche mit Garantie schwierig und schwer in den Griff zu bekommen, und ich glaube, das wird man hier in aller Deutlichkeit feststellen müssen. (Beifall bei der FPÖ. – GR Christian Oxonitsch: Das hat mit diesem Punkt überhaupt nichts zu tun!)

 

Die Kenntnis der Sprache wurde heute als Mittel der eigentlichen Integration bezeichnet. Ich glaube, dass ist völlig richtig. Hier besteht grundsätzlich eine gewisse Übereinstimmung, glaube ich, nur der Weg, nur das Ziel sind völlig verschieden. Das Bedauerliche ist, dass es leider genügend in Wien ansässige österreichische Staatsbürger gibt, denen die Kenntnis der deutschen Sprache nicht zugekommen ist. Ich kann nur sagen (GR Christian Oxonitsch: Wir reden über Büroräumlichkeiten! – GRin Nurten Yilmaz: Kein Wort zu diesem Punkt!), dass die eine Sache mir wirklich in Erinnerung geblieben ist, wo die Polizei in einer Wohnung interveniert hat, in der Zuwanderer aus Bangladesh gewesen sind, alle österreichische Staatsbürger, von denen keiner Deutsch konnte, kein Wort Englisch, und man hat einen ganzen Tag gebraucht, bis man einen Dolmetsch für Bengali bekommen hat.

 

Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm (unterbrechend): Herr Stadtrat, ich ersuche Sie, mit dem Exkurs zu einem Ende zu kommen und sich dem Poststück zuzuwenden.

 

StR Johann Herzog (fortsetzend): Ich komme zum Ende, will aber auch noch auf etwas anderes hinweisen: Es wäre eine wichtige Maßnahme, dass wir gewisse Bedingungen setzen sollten, um die Sozialleistungen doch ein bisschen zu differenzieren.

 

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