Gemeinderat,
13. Sitzung vom 25.10.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 50 von 80
richtigen Antrag eingebracht? – Zahlreiche
Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Vorsitzender Dr Wolfgang Ulm (unterbrechend):
Wir warten, bis sich Kollege Strache beruhigt.
GR Ernst Woller
(fortsetzend): Also noch einmal für
Sie, damit Sie das auch wissen. Viele kurdische Familien haben ganz im
Gegenteil Opfer zu beklagen gehabt, und viele kurdische Familien haben in
dieser Zeit armenische Kinder in ihren Familienverband aufgenommen, um sie vor
der Verfolgung zu retten. Es gibt tatsächlich noch immer kurdische Familien,
die heute noch armenische Kinder haben. Die sind mittlerweile auch schon groß
geworden und alt geworden, aber es sind noch immer Familien, die das auch belegen
können.
Dem Kollegen Strache geht es offensichtlich nicht um
das Thema, sondern um die Fortsetzung des Schürens von Ausländerhass. In
Fortführung des schäbigen Wahlkampfes, den Sie geführt haben, geht es um
Schüren von Vorurteilen gegen Türken im Besonderen, und insbesondere um die
Polemik gegen einen allfälligen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Es
ist dies eine neue Facette der FPÖ-Politik, und dieses leicht durchschaubare
Spiel, das Sie hier spielen, werden wir sicher nicht mitmachen.
Wir werden daher diesen Antrag ablehnen. (GR
Heinz-Christian Strache: Weil Ihnen das Thema unwichtig ist!) Nicht, weil
uns das Thema nicht wichtig ist, sondern weil wir den Missbrauch dieses Themas
durch Sie absolut ablehnen. Wir werden dem ÖVP-Antrag zustimmen und treten für
die rasche und volle historische Aufarbeitung des Massenmordes an den Armeniern
im Osmanischen Reich ein. Wir sind hier wahrlich viel glaubwürdiger als Sie.
Sie sollten mit Massenmorden im vorigen Jahrhundert sehr, sehr ruhig sein und
sich hier nicht zum Richter aufspielen. Die SPÖ hat eine saubere Geschichte,
und wir haben auch ein sauberes Verhältnis zum Thema der Türkei, der Kurden und
zu den Armeniern. (GR Heinz-Christian Strache: Und was ist mit Heinrich
Gross oder auch Julius Tandler, der auch von unwertem Leben gesprochen hat?)
Wir
kopieren und schreiben nichts aus dem Internet ab, sondern wir schauen uns das
vor Ort an. Es war mein persönlicher Vorschlag, dass die Ausschussreise des
Gemeinderatsausschusses Kultur ... (Zahlreiche Zwischenrufe bei der
FPÖ.) Wenn Sie so viel schreien, können Sie nicht zuhören, das ist der
Nachteil. Sie sollten irgendwann einmal zuhören. Deshalb verstehen Sie ja
nichts, weil Sie immer nur schreien. Das wird uns abgehen, das muss ich ganz
ehrlich sagen. Ja, das wird uns wirklich abgehen. Wir haben uns jedenfalls
damit auseinandergesetzt, und es war mein Vorschlag als Vorsitzender des
Kulturausschusses, dass uns die Ausschussreise Kultur zuletzt nach Armenien
geführt hat und wir dort auch vor Ort das Mahnmal für den Völkermord an den
Armeniern besucht haben.
Ich habe persönlich seit 20 Jahren gerade zur
armenischen Gemeinde in Wien ein besonderes Verhältnis, weil die armenische
Kirche und die armenische Gemeinde ihren Sitz im 3. Bezirk am
Kolonitzplatz, Radetzkyplatz hat und ich dort seit über 30 Jahren
politisch aktiv bin. Daher kenne ich nicht nur die armenische Gemeinde gut,
viele Persönlichkeiten, ich kenne die armenische Kirche gut, ich habe mich auch
sehr stark dafür eingesetzt, dass es ein Mahnmal für die armenischen Opfer in
Wien gegeben hat. Das ist errichtet, steht im 3. Bezirk am Platz der
Armenier. Und ich habe mich auch sehr stark gemacht, dass diese Namensgebung
für den Platz der Armenier zustande gekommen ist.
Ich bin nicht unkritisch zur
Türkei, das müssen Sie sich wirklich sagen lassen. Ich war als Vertreter der
Stadt Wien bei der Habitat-2-Konferenz in Istanbul und ich weiß sehr gut, wie
schwierig es damals war, auch für uns als Delegierte der EU und der Stadt Wien,
uns die kurdischen Zeltdörfer in Istanbul anzuschauen. Die türkischen Behörden
haben alles unternommen, dass wir das nicht sehen. Wir haben es trotzdem
gemacht. Also ich habe mich mit der Türkei sehr kritisch auseinandergesetzt und
ich lasse einfach nicht zu, dass Sie dieses Thema da missbrauchen. Und Sie
können auch sicher sein, dass das Thema bei uns in guten Händen ist.
Es gibt keinen Zweifel, dass auch die Türkei zu ihrer
Geschichte und zu ihrer Vorgeschichte stehen muss, dass sie sich damit
auseinandersetzen muss, es steht außer Zweifel, dass die Türkei ihren Beitrag
zu leisten hat zur Verbesserung der Beziehungen, insbesondere zu Armenien. Es
ist außer Zweifel, dass die Türkei nicht zuletzt zu einem neuen und
demokratischen Verhältnis zu den in der Türkei lebenden ethnischen und
religiösen Bevölkerungsgruppen finden muss, insbesondere zur kurdischen
Bevölkerungsgruppe.
Dass nun einzelne Länderparlamente, nicht zuletzt das
französische Parlament oder gar der Wiener Gemeinderat, einseitig über Dritte
historische Urteile abgeben sollen, ist äußerst problematisch. (GR Mag
Harald STEFAN: Wieso?) Es haben nämlich auch andere Länder einige sehr
dunkle Kapitel in ihrer Geschichte und sollten zuerst einmal vor der eigenen
Tür kehren.
Es ist gerade der Beschluss des
französischen Parlaments problematisch, und ich sage Ihnen auch, warum. (GR Mag Wolfgang Jung: Das wollen wir ja gar
nicht! Das haben wir nicht verlangt!) Erstens einmal muss man, wenn man
über diesen Beschluss redet, zumindest feststellen, dass an dieser Abstimmung
452 Abgeordnete des französischen Parlaments nicht teilgenommen haben und nur 106 Abgeordnete an der
Abstimmung beteiligt waren, das heißt, weniger als 20 Prozent der
Abgeordneten überhaupt im Saal waren. Der Beschluss des französischen
Parlaments ist auch wenig nützlich und glaubwürdig, wenn man weiß, dass
Frankreich prinzipiell gegen den Beitritt der Türkei ist – das sollte man in
diesem Zusammenhang nicht vergessen –, und er ist auch wenig glaubwürdig in
Bezug auf die eigene Geschichte Frankreichs. Welche Vorbedingungen hat
eigentlich Frankreich erfüllt hinsichtlich der eigenen kolonialen Vergangenheit
in Indochina oder Algerien? Das Ganze ist nur erklärbar, wenn man weiß, wie
viele Armenier und Armenierinnen in Frankreich leben und dass das
offensichtlich ein gewisser Faktor vor den kommenden
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