Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 105 von 118
typischen
Frauenberufe gedrängt und übernehmen stereotype Rollenbilder. Spezielle
Berufsorientierung würde die Suche nach geeigneten Berufen vereinfachen und
sich außerdem effizienter auf den Arbeitsmarkt auswirken. Folgendes
Maßnahmenpaket bitten wir umzusetzen:
„Erstens: Umsetzung und Implementierung einer
gender-sensiblen Pädagogik im Rahmen einer Berufsorientierung mit dem
Schwerpunkt auf 10- bis 14-Jährige, so dass die geschlechtspezifische Auswahl
der Berufsbildung abgebaut wird.
Zweitens. Erstellung eines jährlichen Berichts des
Stadtschulrates über die Maßnahmen pro Schulstandort und Klasse, um
sicherzustellen, dass die Maßnahmen im Lehrplan und im Unterricht des Wiener
Pflichtschulbereiches auch umgesetzt werden. Erarbeitung einer
Antizipationsstudie für den Wirtschaftsstandort Wien und dessen Umgebung zwecks
Evaluierung, welche Berufsfelder künftig an Bedeutung gewinnen beziehungsweise
verlieren werden. Jährliche Aktualisierung dieser Evaluierung durch
Beauftragung einer einschlägigen Arbeitsmarktforschung im WAFF.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung beantragt.“ (Beifall bei der ÖVP)
Unser nächster Antrag
betrifft Gender Mainstreaming in der Forschung. Gender Mainstreaming bezeichnet
den Versuch, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen gesellschaftlichen
Ebenen herzustellen und durchzusetzen. Beide Geschlechter sollen explizit in
die Konzeptgestaltung einbezogen werden. Allerdings zeigt allein die Tatsache,
dass Frauen im Bereich der Forschung drastisch unterrepräsentiert sind, wie
stark die Männerdomäne in diesem Bereich ist. Die Richtlinien für
Bundesauftragsforschung, festgehalten in dem Leitfaden "Wie kommt Gender
in die Forschung?", müssen auch in Wien eingehalten werden.
Daher stellen wir
folgenden Beschlussantrag:
„Die zuständigen
amtsführenden Stadträte mögen dafür Sorge tragen, dass die Richtlinien des
Bundes ’Wie kommt Gender Mainstreaming in die Forschung?’ bei allen
Auftragsforschungen, welche die Stadt vergibt, eingehalten werden.
In formeller Hinsicht
bitten wir um Zuweisung.“ – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)
Jetzt komme ich zur Tragik
in diesem Zusammenhang, nämlich zur Situation von Frauen auf dem Wiener
Arbeitsmarkt. – Ich muss es wiederholen, obwohl wir heute schon genug
davon gehört haben, aber es ist einfach zu erschütternd: Während der
Bundestrend einen Rückgang der Arbeitslosigkeit von Frauen gegenüber dem
Vorjahr von 3,9 Prozent ausweist und es seit 1999 eine Steigerung von
7 Prozent gibt, ist in Wien die Zahl der aktiv beschäftigten Frauen
seit 1999 um 0,4 Prozent gesunken.
Das ist eine drastische Abweichung von der gesamtösterreichischen Entwicklung!
Seit dem Amtsantritt von Bgm Häupl hat Wien 35 000 Arbeitsplätze
verloren. Seit dem Amtsantritt von Bundeskanzler Schüssel hat Österreich
200 000 Arbeitsplätze dazu gewonnen. (Zwischenruf von GR
Dr Matthias Tschirf. – StRin Dr Monika Vana: Seit Schüssels
Amtsantritt wird pro Tag eine Frau arbeitslos!) Darauf gehe ich jetzt gar nicht ein! Zeigen Sie mir diese
Quelle! (Beifall bei der ÖVP.) Zeigen Sie mir die Quelle, dann
diskutieren wir darüber!
Wien liegt mit einem Beschäftigungswachstum von 0,01 Prozent pro Jahr auf Platz 33
von 38 europäischen Großstädten. Das Interessante dabei ist aber: Zwei von drei
Frauen, die in Wien arbeitslos sind, finden in Oberösterreich einen
Arbeitsplatz. Während die Bundesregierung im Rahmen des
Beschäftigungsförderungsgesetzes einen Frauenschwerpunkt gestartet hat,
15 300 Frauen zusätzlich an Qualifizierungsmaßnahmen des AMS teilnehmen und der Wiedereinstieg der
Frauen mit einer Eingliederungsbeihilfe gefördert wird, schaut es in Wien
anders aus: In Wien schafft nur jede zweite Frau den Wiedereinstieg nach der
Elternkarenz, und lediglich ein Drittel bekommt eine geringfügige
Beschäftigung. Die Frauenarbeitslosenquote liegt im EU 15-Durchschnitt per
März 2006 laut Eurostat bei 9,5 Prozent, in Gesamtösterreich bei
5,2 Prozent. Wien ist hingegen anders: Hier liegt die Quote bei
10 Prozent.
Nicht genug damit: Die
Frauen sind in Wien auch noch am längsten arbeitslos. Die Verweildauer beträgt
hier durchschnittlich 147 Tage, im gesamtösterreichischen Durchschnitt
sind es 108 Tage. Das ist ein großer Unterschied! Die Arbeitslosigkeit ist
international in den ländlichen Gebieten normalerweise höher als in
Großstädten. Wien bildet eine Ausnahme, und zwar die einzige Ausnahme: Wien
schlägt alle Bundesländer und alle anderen Großstädte! (Beifall bei der
ÖVP.)
Wir wissen alle – das
steht auch auf Ihrer Homepage –, dass die individuelle Freiheit von Frauen
durch ihre ökonomische Unabhängigkeit gesichert ist. Aber auch wenn ich mich
noch so bemühe und noch so positiv denke, kann ich eigentlich nicht wahrnehmen,
inwiefern das der gesamten Wiener Stadtregierung etwas wert ist. Denn wie kann
Ihr erklärtes Ziel betreffend Existenzsicherung von Frauen und
Individualisierung bei dieser Arbeitslosigkeit angesichts der Tatsache, dass
Frauen in Wien noch immer um ein Drittel weniger verdienen, und in Anbetracht
der extrem großen Frauenarmut umgesetzt werden?
Dr Fritz Aichinger
und ich bringen daher einen Beschlussantrag zur Bekämpfung der
Frauenarbeitslosigkeit und Frauenarmut ein. Von Arbeitslosigkeit und Armut sind
Frauen deutlich stärker betroffen als Männer, obwohl die gleichen
Qualifikationsmöglichkeiten und Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt herrschen
sollten. Arbeitsuchende und Wiedereinsteigerinnen haben teilweise sehr große
Schwierigkeiten, einen ihrer Ausbildung adäquaten Platz zu finden. Die
Komplikationen sind natürlich vorprogrammiert: All das führt zusätzlich noch zu
Enttäuschung und Depressionen. Es gibt also psychologische Auswirkungen und
Existenzängste. Um das zu verhindern, müssen drastische Maßnahme gesetzt werden.
Wir stellen daher
folgenden Beschlussantrag:
„Die zuständigen Stadträtinnen
und Stadträte mögen dafür Sorge tragen, dass gezielte
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
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