Gemeinderat,
10. Sitzung vom 26.06.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 38 von 118
Aus dieser Insolvenzstatistik des Kreditschutzverbandes über das 1. Quartal 2006 geht hervor, dass in Wien die Firmenpleiten gegenüber den anderen Bundesländern weiter zunehmen.
Zum Beispiel die Schlagzeile: "Bei Firmenpleiten
zeigt sich leichter Hoffnungsschimmer."
Niederösterreich: In Niederösterreich entwickelt sich
das Geschehen durchaus positiv, die Firmenpleiten sanken um 6,2 Prozent.
Oder Burgenland: Im Burgenland ist die Lage nicht
schlecht, es gibt einen Rückgang bei den Unternehmensinsolvenzen, die Pleiten
sanken um 23,1 Prozent.
Oberösterreich: In Oberösterreich haben die
Firmenpleiten den Zenit bereits überschritten, 2 Prozent weniger.
Oder Salzburg: In Salzburg gingen die Pleiten um
18,8 Prozent zurück.
Vorarlberg: Vorarlberg verzeichnet einen Rückgang von
40 Prozent bei den Unternehmenspleiten.
Und Wien? In Wien herrscht nach wie vor ein hohes
Niveau, und das wird auch so bleiben. Die Firmenpleiten nahmen um 6,6 Prozent
zu.
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, betrachtet man
die Insolvenzen in absoluten Zahlen, liegt Wien nach Kärnten am
zweitschlechtesten Platz. Bei den Unternehmensinsolvenzen hat die Wiener
Wirtschaft im 1. Quartal 519 Fälle zu verzeichnen gehabt, und das ist
ein neuer negativer Rekord. Damit gehen in Wien etwa sechs Unternehmen pro
Tag pleite.
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, auch diese
Statistik zeigt, dass für Wien Handlungsbedarf besteht und dass Wien seine
Betriebe unterstützen müsste.
Ich habe hier auch schon mehrmals das Beispiel
Steiermark erwähnt. In der Steiermark hat man eine Pleiteholding für KMUs
gegründet. Über die steirische Umstrukturierungsgesellschaft "STUG"
sollen die Betriebe saniert und anschließend wieder verkauft werden. Ich darf
den damaligen steirischen Wirtschaftslandesrat zitieren: „Es kommt oft zu
Insolvenzen, obwohl die betroffenen Firmen nur relativ gering überschuldet
sind. Solche Betriebe können mit nicht besonders hohem finanziellen Aufwand
gerettet werden. Bei dieser Aktion rechnet das Land Steiermark sogar noch mit
einem finanziellen Vorteil für das Land selbst, und zwar mit einer Rendite von
10 Prozent, die beim Wiederverkauf der STUG-Betriebe realisiert werden.“
Sehr geehrter Herr Vizebürgermeister, ich habe Sie im
Zuge der Budget- und Rechnungsabschlussdebatten schon mehrmals gefragt, ob
solche Überlegungen nicht auch für Wien interessant wären. Leider habe ich von
Ihnen diesbezüglich keine Antwort bekommen. Vielleicht arbeiten Sie schon an
einem solchen Konzept. Es könnte aber auch sein, dass Sie die Meinung
vertreten, dass dies für Wien nicht erforderlich ist, weil wir den
Wirtschaftsförderungsfonds haben, oder dass die Bundesregierung an dieser
Misere schuld wäre, oder was eben auch immer.
Es ist ja nicht so, dass sämtliche Mitglieder der
Sozialdemokraten generell gegen eine solche Gesellschaft wären. Ich habe hier
einen Pressedienst des Landesrates Emil Schabl von der SPÖ Niederösterreich und
ich darf zitieren:
„Niederösterreichische Beteiligungsgesellschaft nach
steirischem Vorbild als letzten Rettungsanker für die von der Schließung
bedrohte Austria Frost regt Niederösterreichs SPÖ-Landesrat und Vorsitzenden
der FSG-Fraktion im ÖGB Niederösterreich, Emil Schabl, an. Wir alle hoffen noch
immer auf eine positive Lösung, aber wenn diese nicht eintreten sollte, so muss
sich das Land engagieren. Was in der Steiermark so erfolgreich gelang, sollte
auch in Niederösterreich gelingen. Mit der steirischen Umstrukturierungsgesellschaft
ist es in unserem Nachbarbundesland gelungen, Unternehmen und Hunderte
Arbeitsplätze, die vom Zusperren bedroht waren, zu retten."
So der Pressedienst Ihres Niederösterreichischen
Landesrates, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister. Ich darf Sie nochmals
fragen, ob eine solche Gesellschaft nicht auch für Wien interessant wäre.
Mangels Eigenkapitals sind die Betriebe auf
Fremdkapital angewiesen, und da komme ich schon zum nächsten Problem - auch auf
dieses habe ich schon hingewiesen -, und zwar auf Basel II. Auch wenn
Basel II für die Kleinbetriebe und für die überwiegende Anzahl der
Mittelbetriebe nur sehr eingeschränkt vorgesehen ist und erst im nächsten Jahr
wirksam wird, wirft es schon heute und auch in den nächsten Jahren seine
negativen Schatten voraus. Die Banken haben bereits seit mehreren Jahren für
ihre Kreditgewährungen ein eigenes Rating, egal, ob für Klein-, Mittel- oder
Großbetriebe, geschaffen.
Und was bedeutet das Rating für diese Betriebe? Nun,
nicht nur, dass sich die Kreditkosten bei schlechtem Rating enorm erhöhen, gibt
es für viele solcher Betriebe überhaupt keine Kredite mehr. Und was bedeutet
das, sehr geehrter Herr Vizebürgermeister? Nun, wenn die Betriebe von den
Banken keine Überziehungsmöglichkeiten oder Kredite mehr bekommen und somit
ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können, sind sie
zahlungsunfähig, also insolvent.
Ich darf diese Problematik präzisieren. Auf Grund
bankinterner Vorgänge, zum Beispiel durch Übernahme neuer Eigentümer, wie zum
Beispiel bei der Bank Austria, eventuell bei der BAWAG und so weiter, oder
durch Veränderungen, durch neue Vorgaben und so weiter, könnte es zu neuen
Richtlinien für Überziehungen bei den Krediten kommen und eine jahrelang geübte
Praxis der mündlich vereinbarten Kontenüberziehungen könnte zum Beispiel ohne
Vorwarnung von heute auf morgen gekündigt werden.
Das Ergebnis, sehr geehrter Herr
Vizebürgermeister, ist Zahlungsunfähigkeit, das heißt Insolvenz, obwohl sich
beim kreditnehmenden Unternehmen nichts zum Negativen verändert hat. Im
Gegenteil, wie ich in der Praxis mehrmals feststellen musste, haben Banken ihre
Kreditgewährung trotz wesentlicher Verbesserung des Betriebsergebnisses
zurückgezogen und zum Beispiel grundbücherliche Sicherstellungen in Anspruch
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