Gemeinderat,
6. Sitzung vom 28.02.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 68 von 82
Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und
aufzuhalten,
Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom
25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten
Drittstaatsangehörigen (’Gleichbehandlungsrichtlinie’).
Der Europäische Rat erklärte zu letztgenannter
Richtlinie bei seiner Sondertagung in Tampere am 15. und
16. Oktober 1999, dass die Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen
an diejenige der Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten angenähert werden
sollte. Familienangehörige sollten auch das Recht haben, sich mit dem
langfristig Aufenthaltsberechtigten in einem anderen Mitgliedsstaat
niederzulassen, um die familiäre Lebensgemeinschaft zu wahren und den
langfristig Aufenthaltsberechtigten nicht in der Ausübung seines
Aufenthaltsrechts zu behindern.
Die ’Gleichbehandlungsrichtlinie’ hat besondere
Auswirkungen auf den sozialen Wohnbau als auch auf andere soziale Leistungen
der Stadt Wien.
Gemäß diesen EU-Beschlüssen müssen insbesondere
Gemeindewohnungen ab 23. Jänner 2006 auch für Nicht-EU-Ausländer
geöffnet werden. Man müsse davon ausgehen, dass 40 Prozent der
228 000 Drittstaatsangehörigen in Wien, somit bis zu 100 000
Ausländer, Zugang zum sozialen Wohnbau erhalten.
Dieses Recht steht ihnen auch dann zu, wenn sie
arbeitslos sind oder Notstandshilfe beziehen. Im Dezember 2005 haben in
Wien 25 678 Ausländer Arbeitslosengeld bezogen. Die SPÖ spricht von der
’sanften Öffnung der Gemeindebauten’.
Derzeit werden rund 9 000 Gemeindebauwohnungen
jährlich vergeben. Bei den Notfallswohnungen wurden in den letzten Jahren
Ausländer schon bisher über Gebühr begünstigt. Letztes Jahr waren es 300, in
den Jahren zuvor jeweils 1 000 Wohnungen. Daher ist die Aussage des
Wohnbaustadtrates im Hinblick auf die ’Gleichbehandlungsrichtlinie’, wonach von
bis zu 1 000 zusätzlichen Ansuchen im Jahr für Wohnungen im sozialen
Wohnbau auszugehen ist, weit untertrieben.
Die alteingesessenen Wiener, denen schon jetzt beim
Ansuchen um eine Gemeindewohnung kinderreiche Eingebürgerte vorgereiht werden,
verdanken der EU nun noch längere Wartezeiten.
Die gefertigten Gemeinderäte stellen daher gemeinsam
mit den Mitunterzeichnern gemäß § 36 der Geschäftsordnung für den
Gemeinderat der Stadt Wien an den Bürgermeister der Stadt Wien nachfolgenden
Dringlichen Antrag:
In Bezug auf die Auswirkungen der in der Begründung
angeführten EU-Richtlinien wird der Bürgermeister aufgefordert, umgehend alle notwendigen
und rechtlich möglichen Maßnahmen in seinem Wirkungsbereich zu ergreifen, um
den Zugang zum sozialen und geförderten Wohnbau in Wien als auch zu den dadurch
zugänglich werdenden Sozialleistungen weiterhin vornehmlich der Wiener
Bevölkerung als Staatsbürger zu erhalten.
Gemäß § 36 der Geschäftsordnung für den
Gemeinderat wird beantragt, dass der Antrag verlesen und mündlich begründet
werden kann und hierauf eine Debatte über den Gegenstand stattfindet. - Wien,
28. Februar 2006"
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm:
Für die nun folgende Begründung des Verlangens auf dringliche Behandlung dieses
Antrags sieht die Geschäftsordnung gemäß § 38 Abs 3 eine Redezeit von
20 Minuten vor.
Zur Begründung des Verlangens erteile ich Herrn GR
Strache das Wort. - Bitte schön.
GR Heinz-Christian Strache (Klub der
Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Gemeinderatsvorsitzender! Meine
sehr geehrten Damen und Herren!
Wir haben heute diese Dringliche Initiative
eingebracht, weil wir uns auf der einen Seite mit den Auswirkungen des
Gleichbehandlungsgesetzes und vor allen Dingen der Richtlinie, die uns von der
Europäischen Union vorgegeben wird, im Allgemeinen auseinander setzen wollen,
aber auf der anderen Seite natürlich auch mit der Untätigkeit der sozialistischen
Alleinregierung in Wien in diesem Zusammenhang, weil man natürlich hier auch
untätig dieser Entwicklung zugesehen hat und wir in dieser Frage auch vieles
den vormaligen sozialistischen Bundeskanzlern zu verdanken haben. Darauf komme
ich aber später noch zu sprechen. (GR Dr Kurt Stürzenbecher: Aber
zugestimmt hat der Dr Böhmdorfer!) Ja, darauf komme ich dann später
noch zu sprechen.
Ich glaube, es kann nicht sein, dass man frei nach
dem Motto: "Wir sind Präsident!" dieses Euro-Spektakel und
EU-Spektakel, das jetzt gerade über uns hereinbricht, einfach so unkommentiert
und kritiklos zur Kenntnis nehmen soll, so wie das heute leider Gottes in
dieser Republik – auch im Parlament, da gebe ich Ihnen Recht, von Seiten der
Bundesregierung, aber mit felsenfester Unterstützung der Sozialdemokraten im
Parlament, mit toller Unterstützung der GRÜNEN im Parlament - natürlich
unterstützt wird. Die EU-Verfassung zum Beispiel ist im österreichischen
Parlament beschlossen worden, ohne dass man eine Volksabstimmung vorgenommen
hat. Da hat man also nicht das österreichische Verfassungsrecht, in dem steht,
das Recht geht vom Volk aus, berücksichtigt, sondern da hat man sich gedacht:
Wir stimmen einfach ab - die Österreicher, die brauchen wir nicht abstimmen zu
lassen -, und das soll dann später, im November im nächsten Jahr – nämlich in
diesem – in Kraft treten! - So war es geplant.
Dass die Franzosen und die Holländer dann da einen
Strich durch die Rechnung gemacht haben, darüber können wir Österreicher uns
heute freuen, dass das so gekommen ist. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre - die
Sozialdemokratie hat ja mitgespielt! -, dann hätten wir heute eine Europäische
Unions-Verfassung, die ohne Volksabstimmung in Kraft treten würde.
Und genau darum geht es:
100 Prozent Fremdbestimmung aus Brüssel. - Und das gilt es abzuwenden! Wir
wollen auch souveräne Rechte behalten, wir wollen auch Rechtsmöglichkeiten
behalten, um uns zu schützen, um österreichische Arbeitnehmer zu schützen, um
Staatsbürgerschaftsinteressen zu schützen. - Dass Sie
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