Gemeinderat,
35. Sitzung vom 25.11.2003, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 120
unverzeihlich. Die in naher
Zukunft zu entscheidende Intendanz des Volkstheaters – ich weiß nicht,
vielleicht ist das schon entschieden, aber offiziell ist diese Entscheidung
noch nicht getroffen –, wird wirklich ein Gradmesser sein.
Lassen Sie mich vielleicht hier unsere Vorstellungen,
wie eine gelungene Intendanz ausschauen soll, kundtun. Es soll ein Theater kein
Tummelplatz sein für Maulhelden, für Selbstdarsteller. Wir haben das oft genug
erleben müssen. Wir Freiheitlichen fordern, der Intendant sollte politisch
unabhängig sein. Wir fordern, auch von Ihnen, Herr Stadtrat, dass Sie einem
Intendanten nicht politischen Gehorsam abverlangen. Ich weiß natürlich, dass
man das nicht so offen tut, aber diese Querverbindungen, die es immer wieder
gibt, lassen das immer wieder hervorbrechen. Weiters sollte ein Intendant
bemüht sein, die Werke so aufzuführen, wie es diejenige, die die Dramen
geschrieben haben, gewünscht haben. Weiters sollte man die Identität des Hauses
wahren. Man sollte einfach ein Gespür haben für das Haus. Man sollte auch für
ein volles Haus sorgen. Das heißt, ein ausgeglichenes Budget ist notwendig. Und
vor allem – und das sagen wir Freiheitlichen immer wieder –: Man sollte auf die
Bedürfnisse des Publikums Rücksicht nehmen.
Ich möchte später noch auf die Geldflüsse eingehen,
ich wollte nur anfangs darüber sprechen, dass eine gelungene Kulturpolitik
selbstverständlich auch von den Positionen, von den Ehrungen und von den Besetzungen
beeinflusst ist.
Was jetzt die Schwerpunktsetzung durch Geldvergabe
angeht, haben wir einen großen Schwerpunkt – wir Freiheitlichen sagen das immer
wieder, das liegt uns am Herzen –: Wir stehen jetzt, am Anfang dieses
Jahrhunderts, im Zuge der europäischen Integration vor einer großen Aufgabe,
und diese Aufgabe ist unserer Meinung nach, die kulturelle Identität zu
bewahren und zu stärken. Das heißt, der Kulturpolitik, Herr StR
Mailath-Pokorny, fällt hier eine hohe Verantwortung zu, denn dazu gehört ja
auch die Achtung der eigenen Kultur, die Achtung der eigenen Werte, der eigenen
Sitten und Gebräuche.
Ich kann mich erinnern, als Martin Walser den
Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhielt, hat er das sehr gut
formuliert. Er hat diese Themen die Gewissensthemen der Epoche genannt. Und da
gibt es nun, wenn man diesen Gradmesser nimmt, viele Entscheidungen, die sich
danach ausrichten können. Viele unterstellen dann den Freiheitlichen, das ist
ein Zurückdenken, das ist altmodisch, altvaterisch, verstaubt. Bewahren unserer
Identität – was soll denn das? In Wirklichkeit ist es unserer Meinung nach die
Zukunft, und zwar deswegen: Der Stolz auf die eigenen Kultur und auch das
daraus entstandene Selbstbewusstsein ist ein Motor. Das ist das Herz, der Kopf,
es ist das Rückgrat. Wenn man stolz ist auf sich selber, auf die eigene
Geschichte, auf das eigene Land, dann kann dieser Stolz und diese Kraft zur
Bewältigung von Zukunftsaufgaben beitragen. Deswegen die hohe Bedeutung einer
gelungenen Kulturpolitik.
Da kommt ganz besonders der Ausbildung kommender
Generationen eine hohe Bedeutung zu, und hier sind sehr schwere Versäumnisse in
Wien geschehen. Wir haben schon öfters darüber gesprochen. Der Ruf Wiens als
eine der großen europäischen und internationalen Kulturmetropolen hängt
natürlich sehr mit der Bedeutung der Musik zusammen. Aber es gibt, was die
Musikerziehung angeht, schwere Defizite. Und das sind Schlüsselfragen. Hier
muss gehandelt werden. Wir haben in dieser Hinsicht auch schon sehr viele Anträge
eingebracht.
Es ist jetzt auch ein statistisches Jahrbuch der
Musikschulen in Österreich herausgekommen, das die desaströsen Zahlen genau
aufzeigt. Ich will Sie nicht langweilen, ganz kurz nur zwei Parameter: In
Niederösterreich zum Beispiel gibt es 45 000 Musikschüler – ich runde nach
unter sogar ab –, in Oberösterreich 36 000, in der Steiermark 20 000
und in Wien 4 900. Was jetzt die Musikschulen angeht, so gibt es in
Niederösterreich zum Beispiel 168 Anstalten, in Oberösterreich 65, in der
Steiermark 47, in Wien 17.
Mehr Zahlen bringe ich nicht, aber allein das zeigt
schon sehr viel. Wir haben mehrmals argumentiert mit diesen Zahlen. Diejenigen,
die diese Zahlen aufbereitet haben an der Universität, haben sich sehr viel
Mühe gemacht , denn sie sehen diese Zahlen als Hilfe für die Kulturpolitiker
und nicht als Wertung. Es soll eine Hilfestellung sein.
Es ist dann schon enttäuschend, wenn man in einer
Ausschusssitzung von Laska in einer schriftlichen Antwort – persönlich hat sie
sich überhaupt nicht dazu geäußert – mitgeteilt bekommt, dass es ja auch
Konservatorien gebe, es gebe auch die Kindersingschulen, private Konservatorien
und Musikschulen, Volkshochschulen, Jugendzentren und so weiter. Darum ging es
ja nicht in diesem statistischen Jahrbuch. In diesem statistischen Jahrbuch
ging es ausschließlich um vergleichende Zahlen der Musikschulen. Und das muss
man wirklich sehr ernst nehmen. Denn, Herr StR Mailath-Pokorny, Sie wissen ja,
dass das sehr weitreichende Konsequenzen hat und dass es deswegen auch Sie
angeht.
Deswegen haben wir wieder Anträge gestellt, und zwar
gehen wir noch einmal auf die Problematik ein und sagen dann, dass eigentlich
eine enge Zusammenarbeit in diesem Bereich zwischen den Verantwortlichen der
Stadt Wien und der Universität für Musik und darstellende Kunde angestrebt
werden sollte, damit es nicht zu Missverständnissen kommt, denn in Wirklichkeit
sollte ja hier eine Koordination stattfinden.
Ein weiterer Antrag zu dieser Problematik ist
derjenige, dass nun verschiedene Überlegungen im gesamten Bereich der
Musiklehranstalten angestellt werden. Man spricht ja von einer Ausgliederung
des Konservatoriums, also einer Privatisierung. Und im Zuge dieser vielen
Diskussionen sollte wieder einmal überlegt werden, ob man nicht den ganzen
Bereich der Musiklehranstalten wieder zurück ins Kulturressort überführen soll.
Der nächste Antrag zu dieser Thematik betrifft die
Erfahrung, die ich gemacht habe, nämlich dass im Ausschuss von Laska diese
Thematik nicht so leidenschaftlich diskutiert wird wie unter uns
Kulturpolitikern. Das liegt wohl daran, dass der Schwerpunkt Soziales ist und
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular